Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben ein großes russisches Landungsschiff vor der Halbinsel Krim zerstört und versenkt. Es handle sich um die „Caesar Kunikow“, teilte das Militär am Mittwoch mit. Bei russischen Luftangriffen im Osten der Ukraine sind indes nach ukrainischen Angaben in der Nacht auf Mittwoch drei Menschen getötet worden, darunter eine Schwangere und ein neunjähriges Kind.
Zwölf Menschen seien verletzt worden, als die Stadt Selydowe in der Oblast Donezk beschossen worden sei, erklärte die dortige Stadtverwaltung auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. Ein Krankenhaus und mehrere Wohnhäuser seien beschädigt worden. Der Gouverneur von Donezk, Wadym Filaschkin, teilte auf Telegram mit, 100 Patientinnen und Patienten seien in anderen Krankenhäusern in nahe gelegenen Ortschaften in Sicherheit gebracht worden.
Selydowe hatte vor Kriegsbeginn etwa 24.000 Einwohnerinnen und Einwohner und ist nach ukrainischen Angaben in den vergangenen Wochen unter verstärkten russischen Beschuss geraten. Die Oblast Donezk steht zu 57 Prozent unter russischer Besatzung. Sie war bereits 2014 Kampfgebiet, als die pro-russischen Separatisten die gleichnamige Regionalhauptstadt und andere größere Städte unter ihre Kontrolle brachten.
Die Ukrainer hätten das Landungsschiff „Caesar Kunikow“ mit Seedrohnen des Typs „Magura V5“ attackiert, teilte der Militärgeheimdienst HUR am Mittwoch in Kiew mit. Die Drohnen hätten die Backbordseite des Schiffes durchschlagen und es zum Sinken gebracht. Der Angriff habe in der Nähe des Schwarzmeer-Kurortes Alupka unweit von Jalta an der Südküste der 2014 von Russland besetzten und annektierten Krim stattgefunden. Die Behörde veröffentlichte auch ein Video, das den Moment des Angriffs zeigen soll. Unabhängig überprüfen ließ sich das Ausmaß der Schäden zunächst nicht.
Kein Kommentar aus dem Kreml
Der Kreml wollte die Berichte am Mittwoch nicht kommentieren. Das russische Verteidigungsministerium sprach lediglich von sechs ukrainischen Drohnen, die in der Nacht angeblich erfolgreich über dem Schwarzen Meer abgeschossen worden seien.
Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR veröffentlichte auf dem Kurznachrichtendienst Telegram unscharfes Bildmaterial, das mehrere Marinedrohnen zeigen soll, die sich nachts einem großen Schiff nähern, und wie es zu mindestens einer großer Explosion kommt. Reuters konnte das Schiff in dem Video anhand des Hauptmastes, der Antenne, der Brücke und des Decks als die „Caesar Kunikow“ identifizieren. Ort und Datum der Aufnahmen konnten nicht unabhängig überprüft werden. Einige der Aufnahmen am Ende des Videos schienen schwere Schäden zu zeigen, da das Schiff stark zur Seite kippt. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die “Caesar Kunikow„ auf der Backbordseite einen kritischen Bruch erlitt und zu sinken begann“, teilte der Geheimdienst mit. Es sei eines der neuesten Kriegsschiffe Russlands, habe eine Besatzung von 87 Mann und sei auch schon an Kriegen in Georgien und Syrien eingesetzt worden.
Die Ukraine verteidigt sich seit fast zwei Jahren gegen eine großangelegte russische Invasion. Das ukrainische Militär hat dabei mehrfach bereits russische Kriegsschiffe mit Raketen und mit Sprengstoff beladene Seedrohnen versenkt oder zumindest schwer beschädigt. Die russische Schwarzmeerflotte konnte damit mittlerweile weitgehend aus dem Westteil des Schwarzen Meeres verdrängt werden. Im Dezember wurde ein großes russisches Landungsschiff von ukrainischen Marschflugkörpern getroffen. Mindestens ein Mensch kam dabei ums Leben. 2022 versenkten die ukrainischen Streitkräfte das Herzstück der russischen Schwarzmeerflotte, den Raketenkreuzer „Moskwa“.
Der neue ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj und Verteidigungsminister Rustem Umjerow inspizierten indes Frontabschnitte bei Awdijiwka und Kupjansk in der Ostukraine. „Die operative Lage ist äußerst schwierig und angespannt“, schrieb Syrskyj am Mittwoch bei Telegram. Personell seien die russischen Truppen überlegen. Zudem setze die russische Luftwaffe massiv Lenkbomben ein und ukrainische Positionen würden ständig von der russischen Artillerie beschossen, schrieb er.
Seit mehreren Tagen berichten ukrainische und russische Militärbeobachter übereinstimmend von einer sich verschlechternden Lage ukrainischer Truppen in und um Awdijiwka. Der Korridor für den Nachschub der Garnison ist nach monatelangen Kämpfen auf weniger als fünf Kilometer geschrumpft. Die Hauptversorgungsroute soll fast von russischen Truppen erreicht worden sein. Es droht eine Einkesselung der ukrainischen Einheiten. In der stark zerstörten Industriestadt im ostukrainischen Gebiet Donezk sollen noch fast 1.000 Zivilisten ausharren.
Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren eine russische Invasion ab. Russland kontrolliert einschließlich der Krim fast ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets.
Neun abgeschossene Drohnen
Die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete indes über den Abschuss von neun aus der Ukraine gestarteten Drohnen über den russischen Regionen Belgorod und Woronesch und über dem Schwarzen Meer. Die Agentur beruft sich auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Zwei der Drohnen seien über russischem Gebiet abgeschossen worden, sechs Drohnen über dem Schwarzen Meer. Der Gouverneur der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, teilte in den sozialen Medien mit, eine Frau sei mit Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Sowohl Russland als auch die Ukraine bestreiten, bei ihren Angriffen auf das Gebiet des jeweils anderen Landes Zivilisten ins Visier zu nehmen. Beide Seiten geben an, dass ihre Luftangriffe, die oft abseits der Frontlinie stattfinden, das Ziel haben, kritische Energie-, Militär- und Verkehrsinfrastruktur zu zerstören.