In der südasiatischen Atommacht Pakistan wird an diesem Donnerstag ein neues Parlament gewählt. Rund 130 Millionen Wahlberechtigte sind dazu aufgerufen, die Machtverteilung in der Nationalversammlung und den Provinzparlamenten zu bestimmen. Die Wahllokale sind von acht bis 17 Uhr Ortszeit (vier bis 13 Uhr österreichischer Zeit) geöffnet. Als Favorit geht der dreifache Premier und Großindustrielle Nawaz Sharif ins Rennen, der im Herbst 2023 aus dem Exil nach Pakistan zurückgekehrt und von Korruptionsvorwürfen freigesprochen worden war. Sein größter Herausforderer ist der frühere Außenminister Bilawal Bhutto Zardari von der pakistanischen Volkspartei (PPP). Im Laufe des Abends könnte bereits ein vorläufiges Ergebnis feststehen.

Fragile Sicherheitslage

Angesichts der fragilen Sicherheitslage werden die Wahllokale von rund 600.000 Sicherheitskräften geschützt. Am Mittwoch waren bei Anschlägen auf zwei Wahlkampfbüros mindestens 26 Menschen getötet worden. Dutzende weitere Menschen wurden bei den Attacken in der Unruheprovinz Baluchistan verletzt, wie Behördenvertreter der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch mitteilten. Die Angriffe richteten sich gegen zwei Wahlkampfbüros. Bei einem der Anschläge in der Stadt Pishin riss eine an einem Motorrad befestigte Bombe 14 Menschen in den Tod. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) reklamierte die Angriffe für sich.

Bild der Zerstörung in Pishin nach dem Bombenattentat
Bild der Zerstörung in Pishin nach dem Bombenattentat © AFP / Banaras Khan

Auch am Wahltag selbst kam es zu tödlichen Attacken. In Kulachi im Distrikt Dera Ismail Khan im Nordwesten des Landes wurden Sicherheitskräfte während einer Patrouille angegriffen, wie die Polizei mitteilte. Vier Polizeibeamte und ein Vertreter der Grenztruppen seien getötet, drei weitere Polizeibeamte seien verletzt worden, erklärte ein ranghoher Polizeibeamter in der Region. In Belutschistan wurden örtlichen Polizeiangaben zufolge bei einer Explosion in der Nähe eines Wahllokals in der Stadt Lajja zwei Sicherheitsbeamte getötet und neun weitere verletzt. In der Hafenstadt Gwadar seien durch „kleinere Explosionen“ zwei Menschen verletzt worden.

Sorge vor unfairem Wahlgang

Seit Monaten prangern Politikexperten und Menschenrechtler in dem Land unfaire Wahlbedingungen an, da die pakistanische Justiz die Opposition weitgehend demontiert hat. Der in der Bevölkerung immer noch beliebte Ex-Premierminister Imran Khan sitzt wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis. Der 71 Jahre alte Politiker sieht sich als Opfer einer politischen Verschwörung und macht das mächtige Militär dafür verantwortlich. Anhänger seiner Oppositionspartei PTI dürfen nur als unabhängige Kandidaten antreten.

Am Mittwoch seien laut der Organisation NetBlocks das Internet und die Mobilfunkdienste in zahlreichen Regionen Pakistans zeitweise ausgefallen. Daten in Echtzeit zeigten die Internet-Blackouts in mehreren Landesteilen, schrieb NetBlocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, auf der Plattform X am Donnerstag. Die Sperren folgten „nach monatelanger digitaler Zensur, die sich gegen die politische Opposition richtete“.

Reporter der Deutschen Presse-Agentur bestätigten die Sperren des Mobilfunknetzes. Das pakistanische Innenministerium hatte den Schritt mit der angeblichen Sicherheit für die Wählerinnen und Wähler begründet. Zudem sind nach Angaben des Außenministeriums die Grenzübergänge Richtung Iran und Afghanistan bis Freitag gesperrt. Menschenrechtsorganisationen hatten Pakistans Regierung dazu aufgerufen, den Zugang zum Internet während des Urnengangs nicht zu beschränken.

Zwei Familiendynastien rittern um Macht

Der Wahlsieg wird nun vor allem zwischen den zwei großen Politdynastien der Sharifs und Bhuttos ausgefochten. Als Favorit gehen die Pakistanische Muslim-Liga (PML-N) und ihr Spitzenkandidat, der dreifache Premier Nawaz Sharif, ins Rennen. Sharif war erst im Herbst 2023 aus dem britischen Exil in seine Heimat zurückgekehrt, in der Zwischenzeit war sein jüngerer Bruder Shehbaz unter anderem Ministerpräsident. Von alten Korruptionsvorwürfen jüngst freigesprochen, erlebte der 74-jährige Ex-Premier ein Comeback. Sharifs Polit-Clan, zu dem auch seine Tochter Maryam zählt, hat seine Basis in der Provinz Punjab, der bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Region des Landes.

35-Jähriger als Sharif-Kontrahent

Als Außenseiter, aber wichtigster Kontrahent Sharifs, gilt der 35-jährige Oxford-Absolvent und frühere Außenminister Bilawal Bhutto Zardari, der als Spitzenkandidat für die pakistanische Volkspartei (PPP) antritt. Die Mitte-Links-Partei wird seit ihrer Gründung von der Bhutto-Dynastie geführt. Bhutto Zardaris Mutter ist die 2007 ermordete, charismatische Ex-Ministerpräsidentin Benazir Bhutto.

Die PPP und die PML-N waren zuletzt Teil einer breiten Regierungskoalition, die Imran Khan gestürzt hatte. Bhutto Zardari sagte dem lokalen TV-Sender Geo News am Abend vor der Wahl, eine weitere Regierungszusammenarbeit mit den Sharif-Brüdern der PML-N sei für ihn unmöglich, wenn die PML-N die immer gleiche Politik fortführe, wie die Zeitung „Dawn“ berichtete. Aktuell regiert wie in Pakistan in den Monaten vor Wahlen üblich ein Übergangskabinett.

Seit der Unabhängigkeit Pakistans vor über 75 Jahren infolge der Teilung Britisch-Indiens kam es immer wieder zu Unruhen und Instabilität im Land. Mehr als die Hälfte dieser Zeit regierte das Militär. Und auch unter den zivilen Regierungen galten Generäle als die Kraft, die über Erfolg oder Scheitern der politischen Führung entscheiden konnten. Bis heute hat kein einziger pakistanischer Regierungschef seine Amtszeit regulär vollendet.

Sharif-Partei zeigt sich siegessicher

Nach den Parlamentswahlen in Pakistan hat sich die Partei des Spitzenkandidaten Nawaz Sharif bereits vor den ersten Ergebnissen siegessicher gezeigt. „So Gott will, werden wir bequem die einfache Mehrheit erreichen“, sagte Hamza Shehbaz, Kandidat der Muslimliga PML-N und Neffe von Sharif, dem Sender Geo News am Donnerstag. Die Wahlen waren von Einschränkungen und Gewalt gekennzeichnet.