Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den verheerenden Anschlag in der iranischen Stadt Kerman mit mehr als 80 Toten für sich reklamiert. Das erklärte die Gruppe am Donnerstag über ihre üblichen Propaganda-Kanäle. Zwei Attentäter hätten am Mittwoch anlässlich des Todestags des iranischen Generals Qassem Soleimani während der Trauerveranstaltungen ihre Sprengstoffgürtel gezündet, hieß es in der Mitteilung.

Bei den zwei gewaltigen Explosionen nahe der Grabstätte Soleimanis in dessen Heimatstadt waren 84 Menschen in den Tod gerissen und 284 verletzt worden. Die EU und Österreich verurteilten den Anschlag als Akt des Terrors. „Wir sind entsetzt über die vielen zivilen Opfer bei den Bombenanschlägen in der Stadt Kerman im Iran und bekunden unsere Solidarität mit dem iranischen Volk“, postete das Außenministerium auf X.

Vor mehr als einem Jahr hatte der IS bereits einen Anschlag auf ein schiitisches Heiligtum in der Kulturmetropole Shiraz für sich reklamiert. Bei der Attacke im Oktober 2022 kamen mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben. Die Justiz ließ daraufhin zwei Männer mit afghanischer Staatsbürgerschaft öffentlich hinrichten, die der Iran für die Attacke verantwortlich gemacht hatte.

Der IS betrachtet die im Iran vorherrschende schiitische Bevölkerungsmehrheit als Abtrünnige des Islam und verachtet sie. Die Schia, die kleinere der beiden großen Strömungen im Islam, ist Staatsreligion der Islamischen Republik. Ein regionaler Ableger des IS ist im Nachbarland Afghanistan aktiv, wo die Gruppe Nahe Pakistan eine „Provinz“ namens IS-Chorasan errichten will.

Der am Londoner King‘s College tätige deutsche Terrorismusexperte Peter R. Neumann postete auf X, dass der IS als „sunnitische“ Gruppe Schiiten mehr noch als den Westen hasse. Außerdem schrieb Neumann, dass der Iran viel größere Probleme mit jihadistischen Terrorgruppen habe als weithin bekannt. Seit Jahren komme es immer wieder zu Anschlägen, auch wenn der Iran dies gerne unter den Teppich kehre, so der Politikwissenschafter.

„Entschiedene Reaktion“ angekündigt

Iranische Behördenvertreter hatten die Zahl der Todesopfer von zunächst 105 zweimal nach unten korrigiert. Jafar Miadfar, Chef des Rettungsdienstes, begründete die Verwirrung um die Opferzahlen mit dem verheerenden Zustand einiger Leichen.

Vor der Erklärung des IS hatte die Staatsagentur IRNA am Donnerstag unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle berichtet, dass eine der beiden Explosionen durch einen Selbstmordattentäter verursacht worden sei. Dies habe unter anderem die Auswertung von Videoüberwachung ergeben.

Am Donnerstag galt in dem Land mit fast 90 Millionen Einwohnern Staatstrauer. Irans diplomatische Vertretungen im Ausland ließen die Flaggen auf halbmast hissen. Die Beisetzung der Todesopfer soll Freitag sein, auf einem Märtyrerfriedhof. Rund zwei Drittel der Opfer seien inzwischen identifiziert, sagte der Gouverneur der Provinz laut IRNA.

Irans Staatsführung verurteilte die Attacke aufs Schärfste, hatte zunächst aber Schuldzuweisungen vermieden. Religionsführer Ajatollah Ali Khamenei und Präsident Ebrahim Raisi kündigten eine entschiedene Reaktion an. Innenminister Ahmad Wahidi veröffentlichte Erkenntnisse der ersten Ermittlungen, nachdem er die Anschlagsorte besucht hatte. Unter anderem seien die Überreste der beiden Sprengsätze untersucht worden, die im Abstand von 20 Minuten detoniert waren.

Aufruf zu Angriffen gegen Juden und Christen

Die IS sorgte am Donnerstag mit einer weiteren Meldung für Aufruhr. Die Terrormiliz hat nämlich zu weltweiten Angriffen gegen Juden und Christen aufgerufen. Explizit genannt wurden in der am Donnerstag über die üblichen Propagandawege veröffentlichten Audiobotschaft der Islamisten Europa und die USA. Der Sprecher der Jihadisten, Abu Hudhayfah Al-Ansari, warnte auch die islamistische Palästinenserorganisation Hamas, mit schiitischen Gruppen zu kooperieren.