Nach dem angekündigten Rücktritt von Landeshauptmann Günther Platter hat der Tiroler ÖVP-Landesparteivorstand am Montag Wirtschaftslandesrat Anton Mattle einstimmig als Landeshauptmann-Kandidat für die kommende Landtagswahl nominiert. Bis zur Landtagswahl will Platter aber im Amt blieben. Zudem entschied die ÖVP ebenfalls einhellig, dass früher und nicht wie vorgesehen erst im Frühjahr 2023, gewählt werden soll.
"Es ist einmal genug", sagte Platter zu seinem Rücktritt. Auch Morddrohungen gegen sich und seine Familie, die sich seit dem Beschluss zur Einführung der Impfpflicht gehäuft hatten, hätten zu seinem Rückzug beigetragen, erklärte ein sichtlich erleichterter Tiroler Landeshauptmann.
Corona hat "die ganze Welt, ganz Tirol auf den Kopf gestellt"
Er habe in seinen 14 Jahren als Landeshauptmann viel erlebt, man habe den Wirtschaftsstandort gestärkt, Infrastruktur ausgebaut, in Pflege und Kinderbetreuung investiert, so Platter: "Dann, meine Damen und Herren, kam das Jahr 2020"; "die ganze Welt, ganz Tirol wurde auf den Kopf gestellt."
Er werde nie vergessen, wie er die Wintersaison 2020 für beendet erklären musste, sagte der Landeshauptmann. Es sei für die ganze Gesellschaft belastend gewesen, aber auch für ihn, dass die Pandemie "eigentlich Tirol sehr früh getroffen hat", sprach er indirekt auch die Causa Ischgl an. Der Tiroler Wintersportort wurde im März 2020 zu einem der weltweiten Corona-Hotspots und heizte die Pandemie in Europa an.
Wider Erwarten seien die Corona-Infektionszahlen im Herbst 2021 erneut steil nach oben geschossen und man habe erneut scharfe Maßnahmen beschließen müssen, so Platter. Rückblickend könne man aber sagen: Der Weg durch die Pandemie sei "nicht so schlecht gelungen".
"Den einen oder anderen Tag möchte ich kein zweites Mal erleben"
Dennoch hätten gerade die letzten zwei Jahre gezeigt, wie herausfordernd Politik sein kann, berichtete Platter von Drohungen und Anfeindungen gegen sich und seine Familie. Vor allem seit dem Treffen der Landeshauptleute am Achensee, bei dem unter anderem die Impfpflicht in die Wege geleitet wurde, sei es zu Morddrohungen gegen sein engstes Umfeld gekommen. Es habe sogar einen Autokorso von Innsbruck nach Zams – Platters Heimatgemeinde – gegeben. "Die Polizei hat alles abgeriegelt", aber dies sei für die Familie belastend gewesen, berichtete Platter.
"Mit 68 Jahren tut man sich das nicht mehr an" – er wolle das auch seiner Familie nicht mehr antun, so Platter, der zwar keinen Tag als Landeshauptmann missen möchte, aber auch betonte: "Den einen oder anderen Tag möchte ich kein zweites Mal erleben." Man müsse sagen: "Es ist einmal genug", er kandidiere daher nicht mehr bei der Landtagswahl.
Der nächste Landeshauptmann müsse mindestens noch fünf Jahre im Amt bleiben – "und das ist sich bei mir nicht mehr ausgegangen". Es brauche nun Stabilität, daher habe er heute dem Landesparteivorstand Wirtschaftslandesrat Mattle vorgeschlagen – dieser wurde einstimmig gewählt. Die Entscheidung sei ihm leicht gefallen, weil "wir mit Mattle den richtigen Mann" haben, so Platter: "Es ist auch ein Tag der Erleichterung", sagte der Landeshauptmann mit Verweis auf die "Geschlossenheit der Tiroler Volkspartei".
Kein Übergangslandeshauptmann
Mattle machte klar, dass er keinesfalls nur ein Übergangslandeshauptmann sein wolle. "Ich setzte das langfristig an", betonte er. Er sei schließlich "bekannt für Kontinuität". "Heute ist ganz ein spezieller Tag. Ich habe Nervosität im Körper", so der ehemalige Bürgermeister von Galtür.
Platter sei vor Kurzem auf ihn zugekommen und habe ihn gefragt, ob er sich dies vorstellen könne. Dann habe er einige Zeit gebraucht – schließlich sei Landeshauptmann und Landesparteiobmann schon eine "ganz andere Herausforderung" als seine bisherigen. Seine Familie trage seine Entscheidung mit. "Ich bin stolz darauf", meinte der 59-Jährige über seine zukünftige Aufgabe. Eine Umbildung des Regierungsteams werde es bis zu Wahl nicht geben. Es sei auch niemand auf ihn zugekommen und habe gesagt, dass er oder sie aufhören wolle.
Neuwahltermin offen, Kritik aus der Wirtschaftskammer
Außerdem einigte sich die ÖVP darauf, vorgezogene Landtagswahlen vorzuschlagen. Genannt wurde – auch von Platter – der 25. September als Wunschtermin. Nun gehe man in Gesprächen mit den anderen Parteien. Bereits für Montagabend war das erste Gespräch vorgesehen, erfuhr die APA aus ÖVP-Kreisen. Regulär hätte die Landtagswahl im Frühjahr 2023 stattfinden sollen.
ÖVP-Wirtschaftsbundchef Franz Hörl meinte zur APA kurz angebunden auf die Frage, was er zur Personalrochade sage: "Bin begeistert". Die Online-Ausgabe der "Tiroler Tageszeitung" berichtete indes, dass Hörl und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser nicht gerade begeistert gewesen sein sollen von Platters Vorgangsweise. "Wieso sollte ich?", stellte Hörl dies gegenüber der APA in Abrede. Über Platter meinte er: "Das nennt man Entscheidungsstärke."
Walser übte indes am Nachmittag unverhohlen deutliche Kritik an der Vorgangsweise in der Landes-ÖVP nach dem angekündigten Rückzug von Günther Platter. "Ich hätte einen mutigen Schritt bevorzugt, eine glaubwürdige Erneuerung, sowohl innerhalb der Tiroler VP als auch im Regierungsteam", erklärte Walser gegenüber der APA.
Er habe festgestellt, dass die Bevölkerung Ehrlichkeit und keine schier endlose Aneinanderreihung parteitaktischer Schachzüge erwarte, so Walser. In der Politik gehe es für ihn letztendlich darum, geradlinig einen Weg zu gehen und "sich nicht vor heiklen Entscheidungen zu drücken", wurde Walser deutlich und legte nach: "Eine innerparteiliche Transparenz oder glaubwürdige, demokratische Prozesse würde ich mir in einer modernen Partei wünschen." Schließlich fügte er aber hinzu: "Für Anton Mattle werde ich auch weiterhin als Bürgermeister und WK-Präsident ein ehrlicher und verlässlicher Partner bleiben."
Tiroler Parteien bereit für Neuwahlen
Der Koalitionspartner der ÖVP, die Tiroler Grünen, zeigt sich noch skeptisch. Zwar hatte sich Klubobmann Gebi Mair am Sonntagabend auf Twitter jedenfalls "nicht überrascht" vom Schritt Platters gezeigt, sagte dann jedoch am Montagnachmittag in einer Pressekonferenz dann, man wolle bis zum regulären Termin im Frühjahr 2023 weiterarbeiten - sei aber bereit für Gespräche und Verhandlungen.
Die FPÖ sei bereit für eine vorgezogene Wahl, versicherte der blaue Parteiobmann Markus Abwerzger – "je schneller, desto besser". Der Wahlkampf sei "schon seit geraumer Zeit vorhanden", es würde in der Regierung sowieso nicht mehr gearbeitet: "Da rockt nichts mehr". SPÖ-Landeschef Georg Dornauer wollte sich vor der Pressekonferenz von Platter nach dem Parteivorstand nicht äußern. Man habe schon gemerkt: Der Wahlkampf habe bereits begonnen, sagte auch Noch-Landeshauptmann Platter.
"Wenig überrascht" vom Schritt Platters zeigte sich NEOS-Klubobmann Dominik Oberhofer. Den Grund für den Rückzug des Landeschefs sah er in einem "irrsinnigen Parteienfinanzierungsskandal". Ausschlaggebend ist laut Oberhofer gewesen, dass ÖVP-Jugendorganisationen aus dem Corona-Hilfsfonds rund 860.000 Euro erhalten hatten. Außerdem sei die Regierung nun "nicht mehr handlungsfähig".
Auf Bundesebene würdigte ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer seinen Parteikollegen, dankte ihm für seine Arbeit und wünschte ihm alles Gute für seine Zukunft. Die Oppositionsparteien hingegen sahen im Rückzug Platters eine Flucht vor der drohenden Niederlage bei der anstehenden Landtagswahl.