Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) erhebt schwere Vorwürfe gegen die großen Handelsketten Billa, Spar und Hofer. Landwirtschaft und Lieferanten hätten gegen die Einkäufer der Handelskonzerne "keine Chance". "Das sind zum Teil erpresserische Zustände. Wer sich wehrt, wird ausgelistet. Das ist kein fairer Wettbewerb, das sind unfaire Praktiken", sagt Köstinger in der aktuellen Ausgaben des Nachrichtenmagazins "profil".
Es gäbe ein Missverhältnis zwischen den Erzeugerpreisen und Konsumentenpreisen. "Steigen die Preise für Konsumenten, schöpft der Handel diese Marge ab und gibt sie nicht an die Bauern weiter. Zahlen die Konsumenten weniger, trägt das nicht der Handel, sondern der Bauer bekommt entsprechend weniger."
Die Konsumenten würden vom Handel getäuscht, so Köstinger: "Der Preiskampf findet jeden einzelnen Tag am Regal statt. Der Handel lockt die Kunden mit billigen Eiern oder billiger Milch. Was die Ketten da verlieren, holen sie sich durch Aufschläge bei anderen Produkten wieder herein."
Bauernvertreter stimmen ein
Bauernbund-Präsident Georg Strasser und der Präsident der Landwirtschaftskammer Josef Moosbrugger bekräftigten die Kritik der Ministerin. "Die Handelsriesen haben beängstigend viel Marktmacht. Damit sind sie mitverantwortlich für den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Täglich schließen rund zehn Betriebe ihre Hoftore für immer", erklärte Strasser. Die "Übermacht der Händler im Lebensmitteleinzelhandel" gehe so weit, dass sich Erzeuger bei offensichtlichen Verfehlungen gar nicht mehr den Mund aufmachen trauen, weil sie Angst vor einer Auslistung haben, bestätigte der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Strasser in einer Aussendung und forderte eine gesetzliche Regelung zum Schutz kleiner Erzeuger vor unfairen Handelspraktiken.
"Der bäuerliche Wertschöpfungsanteil ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Die bäuerlichen Familienbetriebe befinden sich in einem massiven Würgegriff des Handels. Es besteht dringend Handlungsbedarf", bekräftigte Moosbrugger. Der Lebensmitteleinzelhandel sei ein klarer Gewinner der Coronakrise und sei nun gefordert, sich zu den vorgelagerten Bereichen zu bekennen, statt diese überverhältnismäßig auszunützen. "Das, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat, hat mit verlässlichen Partnerschaften auf Augenhöhe nichts zu tun", so Moosbrugger.
Handel reagiert empört
Geradezu empört reagierte der Handel auf die Attacke der Ministerin. "Die pauschalen und unsachlichen Unterstellungen sowie die deplatzierte Wortwahl von Bundesministerin Elisabeth Köstinger weisen wir im Namen der gesamten Branche auf das Schärfste zurück", sagte Christian Prauchner, Bundobmann des Lebensmittelhandels in der Wirtschaftskammer (WKÖ), in einer Aussendung. Die Coronakrise habe gezeigt, "wie gut die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Lebensmittelhandel in Österreich funktioniert".
Christof Kastner, Vize-Obmann des Lebensmittelhandels und geschäftsführender Gesellschafter der KASTNER Gruppe, lobte ebenfalls die guten Beziehungen zwischen Handel und Erzeugern. "Die auf Dauer angelegten Beziehungen sind ein Garant für Verlässlichkeit und Sicherheit für beide Seiten. Offenbar versucht Frau Köstinger mit einseitigen Darstellungen bei ihrer Klientel politisch zu punkten", so Kastner. Der Lebensmittelhandel sei jederzeit für konstruktive Gespräche bereit.
Auch Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will wies die Kritik Köstingers zurück und sprach sich für die Schaffung einer Mediationsstelle aus: "Bereits kommenden Donnerstag treten alle Letztentscheider und CEOs der Lebensmittelhändler beim 'Tag des Handels' in Gmunden zusammen. Alle Partner entlang der Wertschöpfungskette wurden eingeladen und haben auch ihr Kommen zugesagt, und im Rahmen der überparteilichen Plattform 'Lebensmittel. Wertschätzen.' Herausforderungen und Wünsche unter Wahrung der kartellrechtlichen Vorgaben zu besprechen."