Das Klimaschutzministerium zog heute Bilanz über das Treibhausgas-Jahr 2020. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt konnten Erfolge vermelden, die allerdings der Corona-Pandemie geschuldet sind. Mittel- und langfristig sei nach wie vor Sorge angebracht.
Österreich ist säumig mit Maßnahmen zum Erreichen eines geringeren CO2-Ausstoßes. Hauptbelastungsfaktor ist der Verkehr. Aber das Pandemie-Jahr 2020 brachte zwischendurch gerade dort eine Entlastung. Gewessler: "Die Emissionen sind 2020 um 7,7 Prozent gesunken, das sind 6,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente."
Ziel - vorläufig - erreicht
Damit hat Österreich in der langfristigen Betrachtung das Klimaziel 2020 erreicht - bis zum Vorjahr schien dieses Ziel in weiter Ferne. Dieses Ergebnis sei aber keines, auf dem man sich ausruhen dürfe, "sondern ein Auftrag." 73,7 Millionen Tonnen Treibhausgase seien im Vorjahr ausgestoßen worden - der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1990.
Der Verkehr macht 30 Prozent aller CO2-Emissionen aus. Im vergangenen Jahr waren es nur 27 Prozent. Der erste Lockdown brachte einen Einbruch von 50 Prozent bei der verkauften Treibstoffmenge, im hochrangigen Verkehrsnetz (auf den Autobahnen) ein Minus von bis zu 70 Prozent, im städtischen Verkehr ein Minus von 30 bis 50 Prozent. Lichtblau: "Wir hätten es nicht für möglich gehalten, dass eine solche Reduktion überhaupt möglich ist."
Effekt schon wieder verpufft
Die schlechte Nachricht: Erstes liegt man damit immer noch nicht unter dem Niveau von 1990, was das Langfristziel ist. Schlimmer noch: Der Effekt ist schon wieder vorbei. Schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 ging es wieder bergauf, "heute sind wir schon fast wieder auf Vorkrisenniveau, obwohl noch einzelne Branchen im Homeoffice sind, obwohl der Tourismus noch nicht voll hochgefahren ist." Dass es so schnell ging, hat Lichtblau ebenfalls überrascht...
Gewessler: "Es ist eben eine Corona-Delle, kein Ergebnis zum Ausrasten." Im Gegenteil: Gewessler leitet daraus erst recht einen Handlungsauftrag ab. Menschen, die aus Gründen der Sicherheit in Corona-Zeiten aufs Auto umgestiegen seien, müsse man dazu motivieren, wieder den öffentlichen Verkehr zu nützen. Im Güterverkehr würden die Auswirkungen des Transits überschätzt, so Lichtblau. Gerade auch in Bezug auf einen zweiten Faktor, die Stickoxide. "Da geht es vor allem darum, den hausgemachten Verkehr zu managen."
Mellach wirkt
Ebenfalls 30 Prozent der Emissionen machen Energieerzeugung und Industrie aus. Hier sei durch die Stilllegung des letzten Kohlekraftwerks in Österreich, Mellach, ein Sprung gelungen. Allein 800.000 Tonnen CO2 weniger mache diese Einzelanlage aus. Das Ziel, im Jahr 2030 nur noch Strom aus erneuerbaren Energien zu haben, sei erreichbar, dafür sei mit dem Erneuerbaren-Gesetz gesorgt. "Und wir werden es auch schaffen, den Wärmebereich zu dekarbonisieren." 750 Millionen Euro wurden für Umstellungs-Forderungen bereitgestellt.
Im Bereich der Industrie, beim Emissionshandel, wurde mit 8,6 Prozent sogar ein noch stärkerer Rückgang als im Durchschnitt erzielt.
"Lasse mich nicht bremsen"
Gewessler ist voll motiviert: "Das schöne ist, wir wissen, wie es geht. Jetzt geht es darum, Jahr für Jahr bis 2040 so weiterzumachen. Ich lasse mich nicht bremsen. Der Klimaschutz ist die ganz große Herausforderung unserer Zeit!"
Österreich sei mittendrin in der Aufholjagd bei den Maßnahmen. Es sei jenes europäische Land, das den Corona-Wiederaufbaufonds am durchgängigsten für den Klimaschutz nütze, das die Investitionsförderungen am konsequentesten an klimaschonendes Verhalten binde. Die Investitionen in die ÖBB und das Klimaticket seien ein wichtiger Meilenstein.
Nationaler Emissionshandel?
Der nächste Schritt seien die steuerlichen Maßnahmen, wobei gerade geklärt werde, ob man an den bestehenden Abgaben anknüpfe oder ein Emissionshandelssystem auch für nationale Emissionen implementiere. Das Grundprinzip: "Klimafreundliches Verhalten soll sich lohnen, klimaschädliches Verhalten bekommt seinen gerechten Preis."
"Die Maßnahmen wirken", zeigte sich auch Lichtblau überzeugt. Auch, wenn man die Ergebnisse erst Mitte des Jahrzehnts so richtig sehen werde.
Die EU hatte die konkreten Abbaupläne zuletzt kräftig nach oben geschraubt. Die Erde wird sich bei der derzeitigen Entwicklung bereits gegen 2030 um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen und damit zehn Jahre früher als 2018 prognostiziert. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die "Alarmstufe Rot" aus.
Claudia Gigler