"Mythen und Falschmeldungen rund um Corona" - das ist das Thema der heutigen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Andre Wolf von der Recherche-Plattform Mimikama und Politikwissenschafterin Daniela Ingruber von der Donau-Uni Krems.

Gesundheitsminister Anschober begann mit den Fakten:

  • 2.425 Neuinfektionen gab es innerhalb der vergangenen 24 Stunden, bei 355.000 Testungen, davon 39.000 PCR-Tests - ein Rekordwert.
  • Zugenommen habe die Zahl der Hospitalisierungen (derzeit 1.844), und 383 Menschen seien derzeit auf den Intensivstationen, ein Plus von 13 Prozent innerhalb der vergangenen sieben Tage.
  • Derzeit werden 34.000 Österreicherinnen und Österreicher pro Tag geimpft. Mehr als eine Million Menschen habe die erste Teilimpfung bereits erhalten. Bis Ende Juni sollen 63 Prozent aller Menschen über 18 durchgeimpft sein.
  • Eine entsprechende Anzahl an Impf-Dosen sei im ersten und zweiten Quartal vorhanden, BionTech/Pfizer stelle noch einmal zusätzliche Dosen - für Österreich 200.000, also Impfdosen für 100.000 Menschen - zur Verfügung.

Danach leitete Anschober zum G'frett mit den Fake News über. "Wir sind erschöpft, ich auch", begann Anschober, in Anspielung auf den Spitalsaufenthalt, dem er sich in den letzten Tagen unterziehen musste. Die Aggressivität nehme zu. Auch er spüre das, habe deshalb Personenschutz in Anspruch nehmen müssen.

"Manche wollen die Spaltung, sie wollen die Gesellschaft auseinandertreiben, aber das ist das Letzte, was wir jetzt brauchen. Wir brauchen Zusammenhalt", appellierte Anschober. "Zuerst atmen, dann erst klicken", so sein Appell.

Warum sich Falschmeldungen so rasch verbreiten? Mimikama berichtete darüber bereits im Dezember 2020 und zitierte dazu einen US-Forscher:

Falschmeldungen über die Corona-Pandemie, Erkrankungsverläufe und das Virus an sich, lösen negative Emotionen, wie Angst, Ekel und Sorgen aus. Diese wiederum geben den Konsumenten das Gefühl, handeln zu müssen. Das Ergebnis: Die Beiträge werden geteilt, um dem eigenen Handlungsdrang nachzugehen.

Die zweite Beobachtung lässt sich auf den sogenannten „Third Person Effect“ (dt. „Andere-Person-Effekt“) zurückführen. Dieser besagt, dass Nutzer sich selbst, im Vergleich zu anderen, häufig als medienkompetenter wahrnehmen. Das Resultat ist, dass diese Nutzer häufig weniger bereit sind, Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Medienkompetenz wahrzunehmen, da andere dies nötiger hätten als sie.

Das Problem: Die Fake-News zu Corona lassen Menschen an der Sinnhaftigkeit der Präventionsmaßnahmen zweifeln und führen zu einem Anstieg der Neuinfektionen. Und auch Ärzten macht das zähe Beharren der Patienten auf vermeintlichem "Wissen" die Arbeit schwer.

Steigerung bis zu Radikalität

Andre Wolf betonte: Äußerungen von Kritik seien natürlich nicht automatisch Falschmeldungen, aber die Falschmeldungen häuften sich. Munkeleien, Kettenbriefe, Äußerungen, die Nicht-Wahres beinhalteten, seien der Anfang gewesen. Ab März 2020 wurden plötzlich vermehrt medizinische "alternative Meinungen" veröffentlicht. Das Problem: Sie seien als gleichwertig dargestellt worden, wie die validen medizinischen Informationen.

Seit April des vergangenen Jahres kam die "Verschwörungserzählung" dazu: Dabei spielen die Gefühle eine große Rolle, Feindbilder werden aufgebaut, Erzählungen, denen man mit einem "Fakten-Check" gar nicht gut beikomme, weil sie sich jenseits von Fakten abspielten. "Da wurde es gefährlich", so Wolf. Und damit einer Radikalisierung einhergegangen, zuerst in Deutschland, dann in Österreich, vor allem seit Jänner, mit immer größer werden Demonstrationen und damit verbundenen Polizeieinsätzen. "Wir müssen aufpassen, dass bewusst gestreute Falsch-Meldungen keine falsche Radikalisierung bewirken."

Jeder könne zum Fakten-Prüfer werden, auch Bilder seien leicht auf ihre Echtheit zu überprüfen, "das kann jeder lernen".

Angst und Ohnmacht

Daniela Ingruber, Demokratie- und Kriegsforscherin, arbeitet im "Austria Democracy Lab". Umfragen und Interviews bestätigten, dass es ein Klima brauche, indem auch zugehört werden kann. Die Befragten verspürten vermehrt ein negatives Klima, 65 Prozent könnten die Zukunft nicht mehr "rosig" sehen. Es gehe Angst um, nicht vor dem Virus, sondern auch vor dem, was die Folgen der Corona-Pandemie für Demokratie und Gesellschaft sein könnten.

Die Menschen hätten Angst vor Ohnmacht und Kontrollverlust und begaben sich auf die Sinnsuche. Dabei liefen sie Gefahr, Propaganda aller Art zum Opfer zu fallen. Auch in internationalen Studien zeige sich, dass 20 Prozent an Verschwörungstheorien glaubt, 30 Prozent, auch in Österreich, glaubten, zumindest ein Fünkchen davon sei wahr. Damit steige auch die Zahl jener, die sich zu radikalisieren beginnen. Der Umgang miteinander werde aggressiver.

Das Problem: Selbst, wenn viele den Mythen keinen Glauben schenkten, werde das Misstrauen genährt und der Optimismus sinke. Etwas davon bleibe, auch nach Ende der Krise, "und das muss uns Sorgen machen".

Das Gegenmittel: "Zuhören, sich nicht wegdrehen, mit den Menschen reden, auch im Zweiergespräch."