In Deutschland ist die "Luca-App" in aller Munde. Spätestens seit der Rapper Smudo von den "Fantastischen Vier" bei Anne Will als "App-Botschafter" aufgetreten war. Die Musiker haben die App gemeinsame mit der Firma Nexenio entwickelt. Das Motiv liegt auf der Hand: Möglichst bald wieder Konzertbesuche ermöglichen.
Als Ticket in die neue Freiheit präsentierte Smudo das Wunderwerk: Eine App, die Tracking möglich macht, ohne den Datenschutz zu verletzen. Jeder gibt seine Daten einmal ein, und bei Bedarf und wenn er es dann tatsächlich will, kann er von der Gesundheitsbehörde - und nur von dieser - identifiziert und kontaktiert werden. Damit würde nicht nur das Contact Tracing viel einfacher als bisher, sondern für die Behörde auch das Erkennen von Clustern.
Die Kontaktdaten werden eingegeben und anonymisiert (verschlüsselt), gleichzeitig werden sie an die unmittelbar zuständige Gesundheitsbehörde weitergegeben. Der User bekommt einen QR-Code, der dann das Eintrittsticket für Geschäfte, Gasthäuser oder Theater und Konzert ist: Beim Ankommen logged der User per QR-Code ein, beim Verlassen meldet er sich wieder ab. Die Phantasien für die Anwendung sind unbegrenzt, der Ein- und Ausloggprozess ist auch für Straßenbahn, Geschäft oder Kino denkbar.
Die Begegnungen werden wie bei der Stopp Corona-App in Österreich anonymisiert aufgezeichnet. Dass das Gesundheitsamt im Fall des Falles schnell die Erlaubnis, die Daten freizugeben einholen kann, ermöglicht die schnellere Kontaktnachverfolgung. Modellregion in Deutschland ist die Insel Sylt, dort machen fast alle Geschäfte und Lokale mit. Als Bundesland setzt als erstes Mecklenburg-Vorpommern auf die App.
So funktioniert die App im Fall einer Infektion:
- Elisabeth ist positiv getestet.
- Das Gesundheitsamt wird automatisch informiert.
- Das Gesundheitsamt ersucht Elisabeth, die Daten aus der Luca APP freizugeben.
- Dazu übermittelt Elisabeth dem Gesundheitsamt einen Freigabe Code aus der Luca APP.
- Das Gesundheitsamt erfährt durch die Datenübermittlung, dass Elisabeth z.B. bei einem Konzert war. Das Gesundheitsamt fordert beim Konzertveranstalter – der die Daten per Luca WebApp erfasst hat – die ‚anonymisierten‘ Daten der Konzertbesucher an.
- Der Konzertveranstalter bekommt eine Aufforderung die Daten freizugeben.
- Nun kann per SMS eine Information an die anderen Konzertteilnehmer erfolgen, sich testen zu lassen und die Behörde kann feststellen, wo zur Ausbreitung kam.
Warnung und Contact-Tracing zugleich
Die App ersetzt das mühsame Sammeln und Rückverfolgen der Kontaktdaten via Formular. Was sagt dazu Gerry Foitik vom Roten Kreuz, der die Corona-App in Österreich mit auf den Weg gebracht hat? „Auch bei uns gibt es schon CheckIn-Apps. Sie sind eine gute Ergänzung zur Stopp Corona-App, weil dabei auch Kontakte erfasst werden, die nicht im Umkreis von zwei Metern für 15 Minuten stattgefunden haben.“
1,4 Millionen Menschen haben übrigens die Stopp Corona-App in Österreich downgeloadet. Aktiv genutzt wird sie von der Hälfte zirka. Foitik: „Wir sehen, wie viele Warnungen von der Stopp-Corona-App veröffentlicht werden: Die Kurve hat den gleichen Verlauf wie die Pandemiekurve in Österreich: Je mehr Fälle es gibt, desto mehr Warnungen. Das heißt, die App funktioniert und wird auch gut verwendet.“
Und was sagt der Datenschutz?
Die Luca-App" geht einen Schritt weiter. Die User werden nicht nur anonym darüber informiert, dass sie in Kontakt mit einer infizierten Person waren, sondern das Gesundheitsamt kann umgehend das Contact-Tracing aufnehmen, weil es weiß, um wen es geht. Und: Positive Testergebnisse werden automatisch von der Behörde eingemeldet, es liegt nicht am User, ob er das tut. Er muss allerdings im konkreten Fall dem Amt noch einmal per TAN den Zugriff auf die Daten erlauben. Im Falle eines Konzertes kann auch der Konzertveranstalter dem Amt Zugriff auf die Luca-Daten erteilen, und alle anderen Gäste werden automatisch per SMS gewarnt.
Die Hamburger Datenschutzbehörde empfiehlt die Entwicklung solcher Apps. Der Umstieg auf eine digitale Lösung in der Kontaktnachverfolgung sei als "datenschutzfreundlicher" einzustufen. "Eine gut gemachte App ist besser als die bisherige Zettelwirtschaft", heißt es aus der Behörde.
Auch der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems sieht keinen Grund zur Beanstandung. „Die DSGVO erlaubt explizit Datenverarbeitung für Pandemiebekämpfung, auch ohne Einwilligung des Nutzers. Auch nach österreichischem Recht ist wohl das Sammeln von Informationen hier das ‚gelindere Mittel‘ als weiter Lockdowns."
Je bekannter die App wird, desto mehr Kritiker treten auch auf den Plan. Manche befürchten, dass die sehr persönlichen Daten, die bei der Nutzung der App verarbeitet werden, nicht ausreichend geschützt sind und allzu leicht missbraucht werden könnten, wenn sie in falsche Hände gelangen. Nach massivem öffentlichem Druck haben die Gründer am vergangenen Mittwoch angekündigt, den Quellcode der App Ende März zu veröffentlichen. Als Risiko wird diskutiert, dass die Daten alle zentral gespeichert werden.
Alles eine Frage der Technik
Die Frage sei nicht, ob das möglich sei, auch in Österreich, sondern wie man es richtig mache: "Die Systeme müssen nach Prinzipien wie ‚Privacy by Design‘ gestaltet werden und sollten keinen Missbrauch erlauben", sagt Schrems. Es geht um die technische Ausgestaltung, durch die sichergestellt sein muss, dass die Daten sicher sind und bleiben.
Schrems spricht aber auch eine andere entscheide Frage direkt an: „Das Problem ist bisher nicht der Datenschutz, sondern die fehlende Akzeptanz der Bürger.“ Dazu müsse man aber einen Verhaltensforscher fragen, keinen Juristen...
Auch in Deutschland ist die Skepsis der Bevölkerung noch groß, aber ähnlich wie in Österreich haben dort viele Menschen (25 Millionen) zumindest die anonyme Corona-App der Regierung heruntergeladen. Zuletzt dachte allerdings sogar Bundeskanzler Angela Merkel öffentlich darüber nach, ob man nicht Elemente aus der Luca-App integrieren könnte.
Der Chef des Bundeskanzleramtes, Helge Braun (CDU), plädierte für eine schnelle Entscheidung zu einer Corona-Kontaktverfolgungslösung wie etwa der Luca-App. Der Start einer solchen App könnte zum 22. März erfolgen, sagte Braun am Dienstag auf einer Veranstaltung des Softwarekonzerns Microsoft, wie der "Spiegel" berichtet. Ab dann soll in Regionen, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 liegt, die Außengastronomie wieder geöffnet werden.
Claudia Gigler