Die EU will es. Deutschland schreitet voran. Und auch in Österreich steigt der Druck zur Einführung eines Lieferkettengesetzes, das Konzerne dazu verpflichtet, auch bei ihren Zulieferern auf ökologische, arbeitsrechtliche und ethische Standards zu achten.
Die Essenz des Gesetzes mit dem komplizierten Namen: Nicht der Konsument soll auf oft mühsamem Wege recherchieren müssen, ob das Billig-T-Shirt, das er kauft, auch ethisch vertretbar produziert worden ist, sondern der Staat zwingt die Firmen bei Strafandrohung dazu, dafür zu sorgen. Es geht um Misstände wie Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Vernichtung von Regenwald - all das also, was uns wichtig ist, was wir aber nicht im Blick haben, wenn die Herstellung in Bangladesch, Kolumbien oder Ghana erfolgt.
Deutsche Unternehmen sollen ab 2023 verpflichtet werden, gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltsünden bei ihren ausländischen Zulieferern vorzugehen. Der entsprechende Gesetzesentwurf wurde gestern, Mittwoch, von der Bundesregierung vorgelegt.
- Bei Verstößen drohen deutschen Unternehmen künftig Bußgelder von bis zu zwei Prozent des weltweiten jährlichen Konzernumsatzes.
- Ab einem Bußgeld von 175.000 Euro können Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.
- Betroffen sind ab 2023 Konzerne mit mehr als 3000 Mitarbeitern in Deutschland, ab 2024 dann auch Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten.
Nur jedes dritte Unternehmen in der EU prüft seine globalen Lieferketten sorgfältig mit Blick auf Menschenrechte und Umweltauswirkungen. Das ergab eine Studie der EU-Kommission aus dem Vorjahr, und daraus zog sie ihre Konsequenzen: „Freiwillige Verpflichtungen der Unternehmen sind nicht zur Norm geworden, jetzt arbeiten wir auf verpflichtende Sorgfaltsstandards hin“, sagte Sozialkommissar Nicolas Schmit. Im Juni soll der Entwurf vorgelegt werden.
Justizkommissar Didier Reynders ergänzte: "Wir wollen konkrete Pflichten und auch eine Haftung und Aufsicht. Wir brauchen zumindest zivilrechtliche Haftung und wir diskutieren sogar eine strafrechtliche Haftung.“ Die EU-Regeln sollten auch für Unternehmen gelten, die keinen Sitz in der EU hätten, aber ihre Produkte im Binnenmarkt verkaufen wollten.
SPÖ-Vorstoß
Mit Vorgaben aus Brüssel ist also zu rechnen. Deutschland marschiert voran. In Österreich will die SPÖ dazu ehebaldigst einen Gesetzesantrag einbringen, eine Bürgerinitiative startete in Österreich eine "Mitmachbewegung".
Die SPÖ-Parlamentarierinnen Julia Herr und Petra Bayr stellten am Mittwoch ihren Entschließungsantrag vor. Darin wird eine Sorgfaltspflicht der Firmen gefordert, wonach Konzerne jährlich prüfen müssen, ob ihre Zulieferer alle nötigen Standards einhalten - und wenn nicht, den Zulieferer wechseln. Firmen sollen verpflichtet werden, auch bei Zulieferern Missstände bei Arbeits-, Sozial- und Umweltrechten abzustellen.
Dabei solle "hartes internationales Recht" gelten, so Bayr. Sollte es Rechtsverletzungen geben, sollten Firmen zivil- und strafrechtlich bestraft oder auch von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Eine interministerielle Kommission solle prüfen, ob Sorgfaltsprüfungspflicht und Abhilfepflicht nachgekommen wurde. Das Gesetz solle ab einer gewissen Größe für alle Firmen gelten, die in Österreich ihre Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Aber die dafür zuständige Behörde solle auch die Möglichkeit haben, Firmen zu unterstützen statt sie zu bestrafen.
"Mitmachbewegung"
Gleichzeitig startete die Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz in Österreich unter dem Hashtag #EndlichDonnerstag eine "Mitmach-Bewegung". Gewerkschafterin und Komitee-Sprecherin Veronika Bohrn Mena schreibt in einer Aussendung, Konzerne würden erst dann ihre Haltung ändern, wenn ihre Profite bedroht sind. Deshalb sei ein Lieferkettengesetz in Österreich wichtig.
Bohrn Mena illustrierte ihre Forderung mit einem plakativen(fiktiven) Beispiel: Beim Technologie-Konzern Apple mit globalem Jahresumsatz von fast 275 Milliarden Dollar im Jahr 2020, könnten im Zuge der geplanten deutschen Regelung Strafzahlungen in Höhe von bis zu 5,5 Milliarden Dollar anfallen, sollten konkrete Verletzungen entlang der Lieferkette nachgewiesen werden können. Das könnte sich auf Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von IPhones genauso beziehen wie auf den Abbau von Rohstoffen in Minen.
Der weltgrößte Nahrungsmittel-Konzern Nestle wiederum erzielte 2019 einen Jahresumsatz von rund 91,43 Milliarden Franken. Bei Strafzahlungen in Folge von dokumentierten Verletzungen von Menschenrechten & Umweltstandards bei der Erzeugung von Rohstoffen für Produkte, etwa beim Anbau oder der Verarbeitung von Palmöl oder Kakao, würde sich das zu einer Strafzahlung von bis zu 1,8 Milliarden Franken summieren.
Die Gesamtkosten für Arbeitslosengeld in Österreich betrugen im Jahr 2019 rund 6 Milliarden Euro. Alleine das Bußgeld von Apple und Nestle könnte die gesamten Staatsausgaben in diesem Bereich kompensieren, rechnet Bohrn Mena aus. Bzw. multinationale Konzerne dazu veranlassen, die Produktionsbedingungen recht rasch zu sanieren.
Claudia Gigler