Die Opposition forderte umgehende Konsequenzen - von Straches Rücktritt bis zu Neuwahlen. Wie die ÖVP reagiert, blieb vorerst unklar. Sie kündigte für Samstag eine Stellungnahme von Bundeskanzler Sebastian Kurz an. Die FPÖ dementierte alle erwähnten Geldflüsse - und ging in die Gegenoffensive.

Generalsekretär Christian Hafenecker stellte in einer Aussendung die Frage, wer von der Veröffentlichung kurz vor der Wahl profitierte - und zeigte sich "an die sattsam bekannten schmutzigen Silberstein-Methoden aus dem Nationalratswahlkampf 2017" erinnert. Er kündigte Rechtsschritte wegen der "offensichtlich illegalen" Aufnahme an.

Wie schon Strache und der ebenfalls im Video zu sehende FPÖ-Klubchef Johann Gudenus gegenüber "Spiegel" und "SZ" betonte Hafenecker, dass erwähnte Spenden nicht eingegangen seien. Die FPÖ habe "niemals irgendwelche Vorteile von diesen Personen erhalten oder selbigen gewährt". Und Strache habe in diesem Gespräch mehrmals die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung betont.

Das heimlich gefilmte Video rief bereits die Justiz auf den Plan, berichtete der "Kurier" am Freitag. Laut Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek wurde die Oberstaatsanwaltschaft mit einer Prüfung beauftragt.

Pilnacek warnte aber, dass man sich noch kein Gesamtbild der Lage machen könne: "Es liegen vorerst nur Video-Ausschnitte vor, der Zusammenhang lässt sich nicht beurteilen." Es stelle sich aus juristischer Sicht die Frage, ob es sich nur um Gerede gehandelt habe oder es konkrete Hinweise auf ein strafbares Verhalten gebe.

Die Justiz werde bei den beiden Medien - "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" - um das gesamte, ungeschnittene Videomaterial bitten, "und dann die erforderlichen Schritte setzen", sagt Pilnacek. Ob Ermittlungen eingeleitet werden, sei deshalb noch offen, die Prüfung des Videos sei nun der erste Schritt. Die "Süddeutsche Zeitung" hat allerdings schon betont, dass sie die Originalaufnahmen nicht zur Verfügung stellen werde.

Das Video von dem sechsstündigen Treffen Straches und Gudenus' mit der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen wurde "Spiegel" und "SZ" zugespielt. Es war offensichtlich als Falle für die FPÖ-Politiker organisiert worden, berichteten sie. Der "Lockvogel" soll erzählt haben, eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen - und deutet an, dass es sich um Schwarzgeld handle. Strache und Gudenus reden dennoch mit ihre über Anlagemöglichkeiten.

Strache berichtet in veröffentlichten Videoausschnitten, dass "ein paar sehr Vermögende" im Wahlkampf - im Oktober 2017 wurde der Nationalrat gewählt - zwischen 500.000 und zwei Mio. Euro über einen gemeinnützigen Verein an die FPÖ bezahlen würden, ohne dass dies dem Rechnungshof gemeldet würde. Strache nennt u.a. Waffenproduzent Gaston Glock, die Milliardärin Heidi Goess-Horten, den Unternehmer Rene Benko sowie den Glücksspielkonzern Novomatic. Alle vier dementierten umgehend, dass sie an die FPÖ gespendet hätten.

Der jetzige Vizekanzler stellt der Frau öffentliche Aufträge im Straßenbau in Aussicht: "Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr!", sagt er. Hans Peter Haselsteiner ist der langjährige Vorstandsvorsitzende und Miteigentümer des Baukonzerns Strabag.

Außerdem träumt Strache von der Übernahme der "Kronen Zeitung": "Wenn sie die Kronen Zeitung übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden", sagte Strache. Denn: Würde die "Krone" die FPÖ zwei, drei Wochen vor der Wahl pushen, "dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34" Prozent.

Auch um Agitation gegen andere Parteien ging es. Wenn man kompromittierendes Material aus dem Privatleben seiner politischen Rivalen beschaffen könnte und im Ausland lancieren würde, dann würde niemand wissen, dass die FPÖ dahinter steckt: "Würde es uns gelingen, von einer Seite Fotos zu organisieren, die wir übers Ausland spielen, würde die andere Seite glauben, die andere war's und der atomare Krieg geht los. Es muss uns das Kunststück gelingen, eine Seite sichtbar zu machen, damit die andere losschlägt."

Journalisten nennt Strache "sowieso die größten Huren auf dem Planeten" - ausgenommen nur Richard Schmitt, Chefredakteur der "Krone online". Außerdem spricht der FPÖ-Chef davon, das österreichische Mediensystem nach dem Vorbild Ungarns gestalten zu wollen. Unter der Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban wurde die Pressefreiheit in dem Land massiv eingeschränkt.

Strache und Gudenus äußerten sich Freitagabend zwar nicht - aber sie hatten "SZ" und "Spiegel" auf Anfragen das Treffen bestätigt, aber Gesetzesbrüche bestritten: Es sei "ein rein privates" Treffen in "lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre" gewesen, teilte Strache schriftlich mit: "Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen." Er oder die FPÖ hätten "niemals irgendwelche Vorteile" von den erwähnten Personen erhalten oder gewährt.

Die Opposition forderte Konsequenzen - vom Rücktritt Straches bis hin zu Neuwahlen. "Es ist Zeit, diesem Spuk ein Ende zu machen. Für Bundeskanzler Kurz gibt es nur einen Weg: Der Gang zum Bundespräsidenten", forderte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Aussendung Straches Rücktritt. Aus Sicht von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger führt "an Neuwahlen kein Weg mehr vorbei"; Strache und Gudenus seien rücktrittsreif. Die Klubobleute von JETZT halten Strache als Vizekanzler nicht mehr für tragbar, Kurz müsse ihn "augenblicklich entlassen". Grünen-Chef Werner Kogler sieht für Kurz nur eine Möglichkeit: "Die Regierung mit dieser blauen Bande aufkündigen. Oder er wird selbst untragbar."

Der Politikwissenschafter Peter Filzmaier will noch nicht einschätzen, ob die Strache-Affäre zu Neuwahlen führen könnte. "Das liegt alles in den Händen des Bundeskanzlers, aber nicht unbedingt in den Händen der FPÖ", so Filzmaier am Freitagabend gegenüber der APA. Sebastian Kurz hat eine Stellungnahme für Samstag angekündigt. Er habe dabei nur aus schlechten Optionen zu wählen, so Filzmaier.

Im Vorfeld gab es Spekulationen, dass Kurz Straches Rücktritt fordern oder gleich die Koalition aufkündigen könnte. Filzmaier meint dazu, der Bundeskanzler habe hier "nur zwischen schlechten Optionen zu wählen". "Die Frage ist, von welcher Option er sich am meisten verspricht."

Neuwahlen währen eine "Flucht nach vorne", nach dem Modell Wolfgang Schüssel 2002, meint Filzmaier. Dagegen spricht aus seiner Sicht aber, dass die Wahl wegen des Fristenlaufes nicht mehr vor dem Sommer möglich wäre. Damit drohe ein Dauerwahlkampf ab Mai, wie schon 2017 - nach der Neuwahlansage des damaligen NEO-ÖVP-Chefs Kurz.

Gegen das Weiterregieren mit einer personell erneuerten FPÖ spreche wiederum, dass Kurz dann bei allfälligen weiteren Enthüllungen "mit im Boot" sitze. Außerdem habe sich die FPÖ die Möglichkeit eines raschen Rücktritts Straches mit ihrer ersten Reaktion ("Silberstein-Methoden") de facto verbaut, sagt Filzmaier.

Grundsätzlich sieht Filzmaier Strache aber gehörig unter Druck: Das Video zeichne ein Sittengemälde mit einem Verständnis von Staatsaufträgen "wie der übelste Kuhhandel". "Unabhängig von der rechtlichen Relevanz stellt sich die Frage, wann, wenn nicht in so einem Fall, gerät man unter politischen Druck bis zur Rücktrittsreife".

Filzmaiers Kollege Hubert Sickinger hält die von Strache geschilderte verdeckte Parteienfinanzierung für "einen gravierenden Verstoß gegen das Parteiengesetz". Fraglich sei aber, ob die Causa wirklich aufgeklärt werden kann, sagt Sickinger gegenüber der APA. Denn strafrechtliche Sanktionen sind nicht vorgesehen - und Konten öffnen könne nur die Staatsanwaltschaft.

Strache behauptet in dem Freitag publik gewordenen Video, dass die FPÖ verdeckte Millionenspenden über einen formal von der Partei unabhängigen Verein erhält. "Das wäre absolut unzulässig", betont Sickinger und verweist auf das 2012 verschärfte Parteiengesetz, das Parteien die Entgegennahme von verschleierten Spenden verbietet.

Eine andere Frage ist für den Parteienfinanzierungs-Experten, ob die Causa wirklich aufgeklärt werden kann. Denn Konten öffnen könne nur die Staatsanwaltschaft, und dafür fehle eine klare Strafbestimmung. Denn für unzulässige Parteispenden sei nur eine Geldstrafe in bis zu dreifacher Höhe der illegalen Zuwendung vorgesehen, aber eben keine strafrechtlichen Sanktionen.

"Daher habe ich seit 2012 permanent gefordert, die Verwaltungssanktionen durch strafrechtliche Bestimmungen zu ergänzen, wenn es um gravierende Verstöße geht. Und das wäre ein total gravierender Verstoß", fordert Sickinger einmal mehr eine Verschärfung des Parteiengesetzes.

In dem Video ist auch zu hören, wie Strache im Wahlkampf darüber spricht, für den Fall einer Regierungsbeteiligung im Gegenzug für politisch-mediale Unterstützung Staatsaufträge zu vergeben. Ob das strafrechtlich mit der Affäre um den früheren ÖVP-EU-Abgeordneten Ernst Strasser vergleichbar ist, der ebenfalls in eine Videofalle getappt war und wegen Bestechlichkeit zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, will Sickinger nicht beurteilen, denn Strache sei zum Zeitpunkt der Aufnahme zwar Amtsträger gewesen, "aber definitiv nicht in einer Regierungsposition".

Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann hat schon im April die Affäre angedeutet. In einer Video-Botschaft zur heurigen Verleihung der Romy-Akademiepreise im April machte er entsprechende Anspielungen, was freilich als Satire rezipiert wurde.

In der am 11. April an die Gäste gerichteten Botschaft sagte der Satiriker, er könne "heute leider nicht persönlich in der für mich als Deutscher natürlich besonders positiv historisch aufgeladenen Wiener Hofburg anwesend sein".

Und weiter: "Während Sie jetzt gerade die Gala genießen, Sekt trinken, feine Schnittchen essen, und charmant versuchen, Gernot Blümel nicht spüren zu lassen, wie sehr Sie ihn verachten (...) hänge ich gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-bezahlt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza herum - und verhandle darüber, ob und wie ich die Kronen Zeitung übernehmen kann und die Meinungsmache in Österreich an mich reißen kann."

Aber darüber dürfe er "leider noch nicht reden", so Böhmermann weiter. "Darum sage ich einfach nur: Danke, Danke, Danke". Zum Abschluss richtete Böhmermann noch einen Wahlaufruf an die Gäste: "Alle, denen Europa am Herzen liegt, wählen am 26. Mai - Und alle, die finden, dass die österreichische Bundesregierung einen guten Job macht, gehen bitte erst am 27. Mai wählen."

Am heutigen Freitag - nach Bekanntwerden der Causa - postete Böhmermann auf seinem Twitter-Channel dann kommentarlos ein Youtube-Video der Vengaboys. Titel: "We're Going to Ibiza!"