Vor Kurzem veröffentlichte die Antirassismus-Initiative ZARA ihren Jahresreport, der einen starken Anstieg von Rassismus in Österreich beschreibt. Aus psychoanalytischer Sicht ist Rassismus etwas, das sich nicht nur in einigen Menschen findet, sondern grundsätzlich in jedem von uns. Im Kern seiner Existenz trägt jeder von uns eine Form von Leere. Sie erwirkt unter anderem, dass wir uns überhaupt an andere Menschen binden - sowohl in dem, was wir am anderen lieben, als auch in der Ablehnung desselben. In beiden Fällen, in der Liebe wie im Hass, repräsentiert der andere etwas für uns, was wir in ihn jedoch zuvor hineinlegen, beispielsweise durch Projektion.

Für die Psychoanalyse ist das eine fundamentale Wahrheit. In gewisser Weise sind wir alle uns selbst fremd. Der Freud'sche Begriff des Unbewussten deutet darauf hin, dass das, was das Intimste eines jeden von uns ist, zugleich nicht akzeptiert und nicht gewusst ist - also abgelehnt wird. Insofern kann man sagen, dass das Innerste und das Intimste eines jeden von uns im Exil lebt, also außerhalb von dem, was wir zunächst darüber wissen. Wir glauben beispielsweise oft, dass wir den anderen gern haben, weil er so großartig ist. Die Wahrheit aber ist, dass wir aus ganz anderen Gründen lieben - es könnte ganz banal das Aussehen seiner Nase sein.

Meist haben wir von unseren wahren Beweggründen keine Ahnung. Und im Allgemeinen sind die Gründe, sich zu verlieben, auch weit weniger ideal: zum Beispiel, wenn jemand, der viel Lob und Aufmerksamkeit braucht, sich Menschen aussucht, die ihn entwerten. Wir haben demnach gute Gründe, warum wir unsere Motivationen oft lieber nicht wissen wollen. In der Psychoanalyse versuchen wir den Menschen mit seinem Allerintimsten in Berührung zu bringen. Mit dem, was er begehrt und auch ablehnt und worunter er leidet.

Das Fremde ist für uns der Ort, wo wir dieses Allerintimste von uns zu finden versuchen. Am 6. April wird es an der Universität für angewandte Kunst in Wien eine Veranstaltung mit dem Titel „Wir alle sind Exilanten“ geben. Denn rassistische Tendenzen finden sich in jedem von uns. Die Frage ist, wie wir damit umgehen.

„Rassistische Tendenzen finden sich in jedem von uns. Die Frage aber ist immer, wie wir damit umgehen.“