Jänner 1858. Da läuft ein Mädchen, es ist gerade erst vierzehn Jahre alt, zu einer Grotte am reißenden Fluss. Sie will dort Treibholz für den Herd daheim sammeln; ihre Eltern sind bettelarm, die Familie haust in einem aufgelassenen Gefängnis. Keine Rede von einer ordentlichen Schulbildung der Kinder. Das Mädchen, es heißt Bernadette Soubirous, schaut auf und erblickt eine wunderschöne weiß gekleidete Dame auf einem Felsenvorsprung in der Höhle. Bernadette ist ein frommes Kind, von Theologie hat sie natürlich keine Ahnung, auch die französische Hochsprache ist ihr fremd. In der Gegend am Nordabhang der Pyrenäen reden die Leute Dialekt. Bernadette mag der Erscheinung nicht so recht trauen, sie redet die offenbar sehr vornehme Dame an und fragt sie geradeheraus, ob sie von Gott käme oder gar eine trügerische Täuschung sei. Es entspinnt sich ein Dialog, die Dame spricht erstaunlicherweise ebenfalls Dialekt. Auf die Bernadettes Frage, wer sie sei, meint sie „Que soy era Immaculada Conseptiou“ – „Ich bin die unbefleckte Empfängnis“. In ihrer seligen Verwirrung wendet sich Bernadette an den Pfarrer. Der ist verblüfft. Woher hat die Kleine diesen hochtheologischen Begriff. Konnte sie doch unmöglich wissen, dass vier Jahre vorher Papst Pius IX. in seiner Bulle „Ineffabilis Deus“ _ „Der unbegreifliche Gott“ das Dogma verkündet hatte, dass Maria, die Mutter Jesu Christi, von ihrer Empfängnis an ohne Erbsünde ist, dass sie in ihrem Leben niemals eine Sünde begangen hat. Weil Gott Seinem Sohn zu seiner Fleischwerdung ein „geistliches Gefäß, ein ehrwürdiges Gefäß, ein vortreffliches Gefäß der Andacht“ bereiten wollte, wie es in der Lauretanischen Litanei heißt. Jesu Mutter, gezeugt von ihren Eltern Joachim und Anna, sollte als künftige Mutter Gottes „voll der Gnade“ sein, herausgehoben aus allen Schwächen, Verstrickungen und Bosheiten der Menschen.
Und so wurde die kleine, ungebildete Bernadette zur prominentesten Verkünderin des Dogmas von der „Unbefleckten Empfängnis“. Der österreichische Dichter Franz Werfel besuchte auf seiner Flucht vor den Nationalsozialisten Lourdes. Er wurde von der dichten, spürbar heilsamen Aura dieses Ortes und von der Geschichte Bernadettes zutiefst berührt, aus Dankbarkeit für seine Rettung schrieb er in den USA sein Buch „Das Lied von Bernadette“, den Lobgesang eines Juden auf die „Unbefleckte Empfängnis“. Die obrigen Instanzen zeigen nicht selten eine Art sublimen Humor.
Das Fest Mariä Empfängnis wird freilich schon mindestens seit dem 9. Jahrhundert gefeiert. Es war und ist ein Fest, das den tyrannischen „Zeitgeist“, vor allem den Ideologischen Mainstream unserer Zeit souverän durchkreuzt.
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Von Bertram Karl Steiner