Das Aufgebot ist aus ganz Österreich zusammen gekarrt. Einen kleinen Überblick liefert die Einpeitscherin der Gewerkschaft, die entzückt 35 Busse aus Niederösterreich, 18 aus Tirol, mehr als zehn aus der Steiermark, sechs aus dem Burgenland oder vier aus Kärnten willkommen heißt. Die spuckten ihre Fracht nicht zufällig vor dem Schwarzenbergplatz aus. Dort steht das Haus der Industrie, dessen Jalousien heute zum Gutteil wohl nicht nur gegen die Sonne herunter gelassen sind, während sich zweihundert Meter entfernt, vor dem Russendenkmal, Abertausende versammeln, um für "faire Löhne" zu demonstrieren.

Großteils heiter. Die Stimmung wirkt großteils heiter, viele rauchen, lächeln, plaudern. Obwohl regelmäßig Trillerpfeifen und martialischer Trommelwirbel die auf der Bühne anklingende Kampfrhetorik Dutzender Redner verstärken. "Wir sind keine Klassenkämpfer, aber wenn ihr es wollt, können wir es sein", brüllt ein Redner hinüber zur Industrie, vor deren Portal heute nicht zufällig ein blaues Schild mit der Aufschrift "Wir in der Industrie kämpfen um jeden Arbeitsplatz" prangt. "Ja, aber auf unsere Kosten", repliziert einer darauf und bedauert, "mit dem Mikrophon lohnverhandeln zu müssen", während der Zustrom anschwillt, sich die Menge schon bis zur Fassade von Frankreichs Botschaft drängt.

"Sehr, sehr gut". Die schärfsten Töne schlägt ein Steirer an. "Unserer Firma geht es sehr, sehr gut", behauptet der Betriebsrat von Andritz Hydro, Siegfried Tromayer, zunächst. Er und seine Begleiter seien aus Solidarität mit sechs Bussen aus Weiz angereist, sagt er, bevor er als Lohnverhandler der Elektroindustrie die Stimme hebt: "Wir verhandeln am 18. Mai weiter über höhere Löhne". Falls die Arbeitgeber nicht einlenken, knausrig blieben, "war das heute nur der erste Schritt". Dann werden wir einen Generalstreik organisieren, " legen wir Österreich lahm", droht Tromayer.

"Verzichten bringt nix". Inzwischen sind laut Veranstaltern rund 25.000 - laut Polizei 15.500 Demonstranten - herbei geströmt. "Milliarden für die Hochfinanz, für uns nichts - das ist ein Pflanz!" steht auf Spruchbändern. Oder "Eure Gier ist unsere Not" und "Mit Kaufkraft aus der Krise, heißt die Devise". Jede Menge ÖGB-Prominenz, von Dwora Stein über Sabine Oberhauser bis Gewerkschaftschef Erich Foglar ist aufgekreuzt.

Gegen Lohnverzicht. Sogar der frühere GPA-Chef Hans Sallmutter ist dabei. Kleingruppen reden emsig gegen Lohnverzicht an. "Verzichten bringt nichts, das holen wir nie wieder auf, weil die Firmen nur Gewinne maximieren", meint ein Kärntner, ein hochroter Oberöstereicher nickt. "Wir wollen doch nur einen Teil der Gewinne von 2008, da ging es allen noch gut", sagt er. 150 Demonstranten sind auch von Sappi aus Gratkorn angereist. Ein Teil hat extra Urlaub genommen, auch Pensionisten wie Franz S. mit roter Schirmmütze sind dabei. "Ich mach' mit, weil sonst gegen sie als nächstes auf uns los", fürchtet der Rentner.

"Wann wir wollen". Knapp vor halb fünf ziehen die Demonstranten los. Von der Industrie zur gut einen Kilometer Meter entfernten Wirtschaftskammer in der Wiedner Hauptstraße, wo ein Plakat der Arbeitgeber deren Haltung unterstreicht: "Seriöse Verhandlungen ja, schüren von Emotionen nein", heißt deren Klartext. Dort findet die Abschlusskundgebung statt. "Wir demonstrieren wann wir wollen, wie wir wollen und wofür wir wollen", schreit ÖGB-Chef Foglar in die Menge. Auch von der Wirtschaftskammer lässt sich, wie davor von der Industrie, kein Funktionär blicken. "Wir kommen wieder, wenn's notwendig ist", droht Rudolf Kaske, der Chef der Gewerkschaft Vida.