Gewöhnlich laufen Wahlkämpfe entlang einer einfachen Logik ab: Je wichtiger eine Wahl, desto größer die Inszenierung. Und je größer das Spektakel, desto mehr kritisieren die Parteien, dass die jeweils andere zu viel an Steuergeldern für Werbung ausgibt. In diesem Sinn stellt der anlaufende EU-Wahlkampf eine Neuheit dar. Die Parteien lösen das ein, was sie sonst von einander fordern: einen zurückhaltenden Wahlkampf. Dementsprechend unauffällig verlaufen die Auftaktveranstaltungen.

Abgrenzung in orange. Von einer "Arbeitssitzung" spricht BZÖ-Chef Josef Bucher als er gestern den Startschuss für den orangen Wahlkampf im Palais Ferstl gibt. Man wolle "bewusst nicht in eine Bierhalle oder mit tausenden Menschen auf einen Marktplatz gehen", sagt er bei der Präsentation der Spitzenkandidaten. Damit wollen sich die Orangen von der FPÖ abgrenzen, die den EU-Wahlkampf bereits am 1. Mai eingeläutet hatte, allerdings nicht eigens inszeniert, sondern im Rahmen der traditionellen Feier am Jahrmarkt in Linz-Urfahr.

Jagd auf "schwarze Wähler". Auch im Ton will sich das BZÖ von der FPÖ abheben und damit enttäuschte ÖVP-Wähler anlocken. Der orange Spitzenkandidat Ewald Stadler kritisiert die Abgehobenheit der Brüsseler Bürokratie, zieht dann aber auch den Bundespräsidenten in den Wahlkampf hinein. Heinz Fischer solle sich an seinem tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus ein Beispiel nehmen und die Rechtmäßigkeit des Lissaboner EU-Vertrages überprüfen. Stadler forderte Fischer auch auf, ein Machtwort gegen angeblichen rot-schwarzen Proporz bei der Bestellung des EU-Kommissars auszusprechen.

Für die Grünen bleiben die Orangen gemeinsam mit den Blauen "rechte Hetzer", wie die Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, beim gestrigen Wahlkampfauftakt im Wiener Odeon-Theater sagte. Als Grünes Programm stellte sie "friedliche Revolutionen" bei Klima- und Wirtschaftspolitik in Aussicht. "Jeder wird profitieren, wenn unsere Lösungen umgesetzt werden."

Regierungsparteien bleiben dezent. Selbst die Regierungsparteien steigen relativ dezent in den Wahlkampf ein. Die SPÖ bittet heute zum Europatalk in Wien und lässt die Spitzenkandidaten mit Kanzler Werner Faymann diskutieren. Für Auflockerung soll der ATV-Society Moderator Dominic Heinzl sorgen. Das Schlusswort hat sich Pensionisten-Chef Karl Blecha gesichert, der als Spitzenkandidat abgewunken hatte. Die ÖVP betritt morgen mit einem Europa-Tag den Wahlkampf-Ring. Nach dem Auftritt der Jazz-Gitti und vor der Rock'n'Roll-Akrobatik wollen Parteichef Josef Pröll und Spitzenkandidat Ernst Strasser ihre Funktionäre einschwören.