Der Abschied von der Macht geht mit dem Verlust von Annehmlichkeiten einher. In Wien erzählt man sich, in grauer Vorzeit sei ein ranghohes Regierungsmitglied am Tag nach seinem Ausscheiden aus der Politik am Straßenbahnfahren gescheitert. Vom jahrelangen Herumkutschieren im Dienstauto verwöhnt, habe dieser nicht den grün leuchtenden Knopf gefunden, mit dem sich die Türe von außen öffnen lässt.

Schüssel hat sich schon damit abgefunden. Wolfgang Schüssel hat sich mit der neuen Wirklichkeit schon gut abgefunden. Der Ex-Kanzler fährt U-Bahn oder kurvt mit seinem VW Cabrio durch die Stadt. Chauffeur und Dienstwagen sind nur die äußeren Insignien der Macht. Schmerzvoller ist der Absturz in die Bedeutungslosigkeit. So mancher Minister mutiert im Parlament dann über Nacht zum Hinterbänkler.

In die neue Rolle hineinfinden. Martin Bartenstein (ÖVP) gehörte 14 Jahre lang der Regierung an. Bei der Übergabezeremonie im Wirtschaftsministerium habe sich ein Beamter von ihm mit den Worten verabschiedet. "Wie geht es jetzt Ihnen auf ihrem letzten Weg?" Sein Weg führt ihn heute ins Parlament, wo er in Hinkunft als einfacher Abgeordneter tätig ist. "Der Nationalrat darf kein Ausgedinge sein, sachliche Mitarbeit ist jetzt erforderlich", nimmt sich der Ex-Minister in die Pflicht. Nicht nur er, auch Plassnik, Molterer oder Schüssel müssten nun "in ihre neue Rolle" hineinfinden. Was ihm am meisten abgehen dürfte? Der Zugang zur Expertise wird schwieriger. Als Minister habe man Zugriff auf die Beamtenschaft.

Machtverlust für Matznetter. Von der Regierungsbank hinunter auf die abgewohnten Sitze der Abgeordneten muss auch der frühere Staatssekretär im Finanzministerium, Christoph Matznetter (SPÖ). "Das ist gar nicht unangenehm", behauptet er. Dass er damit einen Machtverlust erlebe, quittiert er mit einem Grinsen und der Gegenfrage: "Glauben Sie wirklich, dass ein Staatssekretär Macht hat?" Außerdem sei er im Parlament kein Hinterbänkler mehr. Zuletzt sass er bereits in der vierten Reihe, heute könnte er noch weiter vorrücken.

Van der Bellen noch in der zweiten Reihe. Alexander Van der Bellen, mehr als ein Jahrzehnt Bundessprecher der Grünen, sitzt noch immer in der zweiten Reihe, gleich hinter seiner Nachfolgerin Eva Glawischnig. "So weit vorne, ist das ein Bonus oder ein Malus?" fragt er sich selbst. Während der stundenlangen Plenardebatten einen Krimi unter der Bank zu lesen, sagt er, "da ist man jetzt schon versucht".

Neue Funktion. Van der Bellen fungiert im Klub künftig als "Sprecher für internationale Entwicklungen", eine eigens für ihn erfundene Rolle, die er persönlich ja lieber "Anti-Provinzialismus-Sprecher" genannt hätte. Als solcher wird er etwa der Frage nachgehen, wie der Klimaschutz auf EU und internationaler Ebene koordiniert werden muss. Oder: "Europa ist ein Arbeitsmakrt, aber wie wirkt sich das auf die Pension aus? Wie behält man seine Ansprüche, wenn man in einen anderen Staat wechselt?" Die Antwort darauf könnte auch Plassnik und Molterer, interessieren, die noch ein paar aktive Berufsjahre vor sich haben. Van der Bellen würde mit ihnen jederzeit in der Parlamentscafeteria plaudern. "Beim Thema Europa haben wir ja viel gemeinsam", sagt Van der Bellen, "auch mit Schüssel. Und Plassniks Haltung gegenüber der ,Kronen? "Die finde ich überhaupt super."