Die Wirtschaftskrise wird das bestimmende Thema der nächsten Jahre sein. Wo steht die designierte Grünen-Chefin ideologisch?
EVA GLAWISCHNIG: Ich habe eine globalisierungskritischere und weniger wirtschaftsliberale Grundhaltung als mein Vorgänger Van der Bellen. Ich teile die keynesianische Auffassung: Dass man in guten Zeiten spart und in Zeiten, in denen die Konjunktur nachlässt, investiert. Maastricht ist kein Glaubensgebot, aber über den Konjunkturzyklus soll der Haushalt ausgeglichen sein.

Wo ist denn da der Unterschied zur SPÖ?
GLAWISCHNIG: Worin wir investieren wollen. Rot und Schwarz versuchen der Wirtschaftskrise, wie man an dem Paket vom Donnerstag sieht, mit Rezepten aus den 70-er Jahren zu begegnen. Sie denken wie Bürgermeister: Will ich ein paar Arbeitsplätze schaffen, baue ich eine Straße oder - noch ein bisschen besser - ich eröffne einen Bahnhof. Man kann statt in Autobahnen aber auch in die Volksschulen investieren, in Kinderbetreuungseinrichtungen oder in das Einkommen von Kindergartenpädagoginnen - in eine ökologische und soziale Modernisierung Österreichs.

Finden Sie gar nichts Gutes an der Koalitionseinigung? Man versichert, dass es keine neuen Steuern geben wird.
GLAWISCHNIG: Das ist der größte Unsinn! Ich will die Steuern nicht senken, sondern eine neue Steuerstruktur. Es kommt ja darauf an, wer davon profitiert. Senkt man die Steuerquote generell, sind wichtige Investitionen nicht mehr finanzierbar. Auf jene, die so wenig verdienen, dass die gar keine Steuern zahlen, haben die Verhandler überhaupt vergessen. Und ich frage die SPÖ: Wo bleibt die Vermögenszuwachssteuer?

Das klingt nach: Mehr Staat, weniger privat.GLAWISCHNIG: Ich komme aus der Ökologiebewegung, die aus der Gegnerschaft zu den staatlichen Energieversorgern entstanden ist, Stichwort: Hainburg. Dass die Selbstheilungskraft der Märkte jedoch endend wollend ist, hat sich jetzt eindrucksvoll bestätigt. Also bin ich für mehr Regulation und staatlichen Schutz in allen Bereichen der Daseinsvorsorge. Die Stromversorgung, vor allem das -Netz, gehört in die öffentliche Hand. Man darf den Staat nicht schlecht reden. In den letzten acht Jahren wurde unserer Generation eingeredet, das staatliche Pensionssystem funktioniere nicht mehr, wir sollen in riskante Aktien investieren.

Hat es gewirkt?
GLAWISCHNIG: Auch ich habe eine private Vorsorge, bei der ich mich ärgere, dass sie immer weniger wert wird. Ich habe mit 23 mein Studium beendet, dann aber jahrelang als Praktikantin und mit Werkverträgen gearbeitet. So ergeht es einer ganzen Generation. Daher fordern wir eine Grundpension für jeden, egal wie viele Jahre er gearbeitet hat, wie lange er in Ausbildung war, wie lange die Kindererziehungszeiten waren. Allerdings wird es dann keine Spitzenpensionen mehr geben. Die ASVG-Höchstgrenze ist die absolute Höchstgrenze.

Sie könnten Rot-Schwarz verhindern, indem Sie in eine Schwarz-Orange-Grüne Regierung gingen. Warum ist das BZÖ nach wie vor kein Partner?
GLAWISCHNIG: Die letzte Tat von Jörg Haiders war es, Asylwerber in Lager auf die Saualm zu transportieren. Das BZÖ will seine Politik fortführen. Und im Parlament sitzen Figuren wie Ernest Wildholz, der mit SS-Sprüchen sympathisiert, und Ewald Stadler, gegen alles ist, was sich die Frauen an freien Entscheidungsmöglichkeiten erkämpft haben. Uns trennen Schluchten, auch wenn Klubobmann Seppi Bucher, mein neuer Sitznachbar im Nationalrat, ein netter Mensch ist.

Sie haben auf die Frage "Obama oder McCain" geantwortet: am liebsten Hillary Clinton. Ist Frau sein nun doch ein Programm?
GLAWISCHNIG: Ich hätte das Signal, eine Frau wird US-Präsidentin, schon toll gefunden. Aber nicht losgelöst vom Programm. Eine Republikanerin hätte mir nicht zugesagt und Benita Ferrero-Waldner hat bei der Bundespräsidentenwahl 2004 meine Stimme nicht bekommen.

Erhoffen Sie sich trotzdem, als einzige Parteichefin mehr Wählerinnen anzulocken?
GLAWISCHNIG: Für politisch interessierte Frauen ist es wichtig, dass Frauen sichtbar sind. Ich könnte mich so aufregen über diese Männerrunden im ORF! Bei der US-Wahl haben auch nur Männer aus Washington berichtet. Dass nun ein Schwarzer US-Präsident ist, ist natürlich auch ein wichtiges Signal. Davon können wir noch einiges lernen.

Eine Frauenrechtlerin aus Kamerun hat es nicht einmal bis zur grünen Nationalratskandidatin gebracht, weil die Parteispitze das nicht entscheiden darf. Wann kommt die Statutenreform?
GLAWISCHNIG: Ende nächsten Jahres. Es geht dabei aber nicht, wie die Medien glauben, hauptsächlich darum, die Rechte des Bundeskongresses zu beschneiden oder Quoten für Neueinsteiger einzuführen. Viel interessanter ist, wie man die Partei für Leute öffnet, die - abseits des Funktionärswesens - nur eine Zeit lang mitarbeiten wollen.