Es ist eine illustre Gruppe, die seit gestern im Gelände des Strafvollzugskomplexes Silivri, westlich von Istanbul, zusammen vor Gericht steht. Da ist der pensionierte Brigadegeneral Veli Küçük, der als der Gründer des Gendarmerie-Geheimdienstes Jitem gilt, dem viele politische Morde in den 90er-Jahren zugeschrieben werden.

Schillernde Figur. Und da ist Dogu Perinçek, die schillernde Figur der türkischen "antiimperialistischen Linken", der seit Jahren nach einem Militärputsch ruft, um die Türkei vor dem vereinigten Europa, den USA und nebenbei vor dem Islam zu retten. Da ist ferner der pensionierte Oberst Fikri Karadag, der Jugendliche "rein türkischer Abstammung" auf Fahne und Koran zur Rettung des Vaterlands schwören ließ und in dessen Verein lange "Verräterlisten" zirkulierten. Und da ist Kemal Alemdaroglu, der sich für die Eroberung ganz Zyperns durch türkische Truppen einsetzt.

Gehorsam verweigern. Das sind nur vier von 86 Angeklagten im so genannten "Verfahren Ergenekon". Der Staatsanwalt behauptet, sie alle seien Mitglieder der gleichnamigen terroristischen Vereinigung, welche politische Morde und Sprengstoffanschläge begangen haben soll. Ihr Ziel sei es gewesen, Teile der Bevölkerung gegeneinander aufzuhetzen und ein Bürgerkriegsklima zu schaffen, in welchem Teile des Militärs den Gehorsam verweigern und schließlich die Regierung stürzen.

Bislang einzigartig. Das "Verfahren Ergenekon" ist bisher einzigartig. Zum ersten Mal müssen sich pensionierte Generäle vor einem zivilen Strafgericht verantworten. Zum ersten Mal behandelt ein Gericht den militärischen Staatsstreich und seine Vorbereitung als Verbrechen. Zum ersten Mal wird der Begriff Terror auf Handlungen von Leuten angewandt, die alles, was sie tun, mit Schlagworten der offiziellen Ideologie, des Kemalismus, rechtfertigen wollen. Und auch dass ein Prozess das Militär politisch unter Druck setzt, kommt hier zum ersten Mal vor.