Wer ist Rudolf Berger? Er war Leiter der Wiener Volksoper und ist nun, als LIF-Spitzenkandidat in Niederösterreich, der bekannteste und bestplatzierte Quereinsteiger, der auf den Listen zur Nationalratswahl am 28. September zu finden ist. Denn alle anderen Parteien verzichten diesmal darauf, mit Künstlern, Sportlern, ORF-Moderatoren, Expteren oder Bestseller-Autoren zu werben.

Ende eines Phänomens: Das Ende eines Phänomens, das in Österreich in den Neunzigerjahren und zu Beginn dieses Jahrzehnts seinen Höhepunkt erreichte? "Als ergänzendes Modell wird es wieder auftauchen", sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier, "entscheidend war es ohnehin nie. Es hätte nur Sinn mit Prominenten vom Status eines Arnold Schwarzenegger - aufwärts." Alles darunter brächte nur kurz Schlagzeilen und Aufmerksamkeit, Wählerströme umleiten würde es aber nicht.

Auch wenig Semi-Prominente. Und selbst Semi-Prominente sind diesmal schwerer zu finden denn je. Einerseits ist der Wahlkampf zu kurz, um Kontakte aufzubauen. Andererseits eilt SPÖ und ÖVP der Ruf von Streithanseln voraus. Die kleineren Parteien, die den Quereinsteigern keine Versorgungsposten nach dem Querausstieg in Aussicht stellen können, mussten immer schon mehr Überzeugungsarbeit leisten. Die Grünen können potenziellen Kandidaten aber nicht einmal einen Listenplatz garantieren, denn über die Reihung entscheidet die Basis in freier Abstimmung. Am Sonntag schaffte es so die Wiener Landtagsabgeordnete Alev Korun auf Platz drei der Bundesliste anstelle einer von der Parteispitze favorisierten Frauenrechtlerin.

Schlechte Erfahrungen. Die FPÖ wiederum hat mit Politneulingen schlechte Erfahrungen gemacht: Der ehemalige Schistar Patrik Ortlieb brachte es im Laufe seiner Parlamentskarriere auf gerade einmal vier Minuten Redezeit. Die Umsteiger selbst fühlten sich unter Blauen auch nicht immer wohl: Theresia Zierler erzählt in dem Buch "Image-Politik" von ZiB 2-Moderator Armin Wolf und "Woman"-Chefredakteurin Euke Frank über die Zeit, nachdem sie die "Willkommen Österreich"-Couch mit den Hinterbänken des Nationalrats ausgetauscht hatte: "Das war ein Konkurrenzkampf, eine Eitelkeit! In der Anfangszeit habe ich jeden Tag ein Hakerl gemacht: wieder einen Tag überlebt." Dennoch kandidert sie nun für Fritz Dinkhauser in Wien.

Warnendes Beispiel. Ein warnendes Beispiel für Möchtegernpolitiker ist, wie die SPÖ mit Josef Broukal umgegangen ist: Über Vermittlung von André Heller wechselte der ZiB-Star im Wahlkampf 2002 ins Schattenkabinett Alfred Gusenbauers und brachte diesem viel mediale Aufmerksamkeit. Sollte die SPÖ die Wahl gewinnen, würde er Wissenschaftsminister, versprach ihm der SPÖ-Chef. Die SPö gewann erst die nächste Wahl, 2006, zur Bildungsministerin beförderte Gusenbauer freilich einen anderern Politneuling, Claudia Schmied. Dass Broukal vier Jahre lang den Hinterbänkler gespielt und zahlreiche Parteiveranstaltungen moderiert hatte, war vergessen. Bei dieser Wahl kandidiert er nicht mehr. Ob er, wenn er das vorher gewusst hätte, noch einmal in die Politik wechseln würde? "Nein", sagt er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung, "weil es einzelne Punkte gab, bei denen ich nicht mitkonnte: Bürgerrechte, Überwachung - da ist die SPÖ sehr leichtfertig. Bei der Ausländerpolitik manchmal leider auch. Aber es soll einem was Ärgeres passieren, als Abgeordneter zu sein. Das ist ein ausreichend bezahlter, interessanter Job. Ich konnte in der Uni-Politik einiges bewegen, was ich als Journalist nicht geschafft hätte."

Nicht gesucht. Emsig nach neuen Opfern gesucht haben die Parteien heuer aber ohnehin nicht. SPÖ und ÖVP liegen in den Umfragen so schlecht, dass das Gedränge um die wählbaren Plätze groß genug war. Etliche Mandatare müssen gehen, das trifft auch ehemalige Quereinsteiger: Franz Morak, 1994 vom damaligen ÖVP-Chef Erhard Busek vom Burgtheater ins Parlament geholt und später zum Kulturstaatssekretär befördert, hat keinen Platz auf den schwarzen Listen gefunden. Gertrude Aubauer, vor zwei Jahren vom ORF zur ÖVP gewechselt, rangiert an 12. Stelle der Bundesliste, einem Kampfmandat. Bruno Rossmann, ebenfalls erst 2006 von der Arbeiterkammer zu den Grünen gestoßen, ist am Sonntag bei der Listenerstellung den Politveteranen Peter Pilz und Karl Öllinger unterlegen.

Es geht ums Ganze. Ein weiterer Grund, warum die Parteien heuer wenig Interesse an Quereinsteigern haben: Es geht ums Ganze. Gut möglich, dass Quereinsteiger bei der EU-Wahl im kommenden Jahr schon wieder Saison haben.