Er nippt an seinem Tee und bringt die Gastgeber mit Scherzen über seine Frau, die zu Hause die Finanzministerin sei, zum Lachen. Kein Satz beginnt mit einem überdeutlichen "wahr ist vielmehr"; keiner endet mit "wenn Sie so wollen". Und seine Arme breitet er auch nicht aus, als wäre er ein Pfarrer auf der Kanzel. Der Auftritt am Montag im Frühstücksfernsehen "Cafe Puls" auf dem Privatsender Puls 4 war der beste, den Wilhelm Molterer seit langem hingelegt hat. Locker, lustig, leutselig.

Verlorene Wahl? Trifft man dieser Tage jedoch auf ÖVP-Politiker oder -Funktionäre, hört sich der Spaß schnell auf. Viele scheinen sich schon damit abgefunden zu haben, dass die Nationalratswahl am 28. September verloren ist. Zwar liegen Rot und Schwarz derzeit in den Umfragen gleich- auf, beide bei rund 25 Prozent der Stimmen. Vor einem Monat war man aber mit einem fetten Vorsprung in den Wahlkampf gestartet. Bei der Kanzlerfrage hingegen hatte SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann schon den ganzen Sommer über die Nase vorne.

Verantwortlichkeit. Hinter vorgehaltener Hand wird dafür vor allem Spitzenkandidat Wilhelm Molterer verantwortlich gemacht: zu hölzern, zu wenig Führungsstärke, vor allem aber zu wenig telegen. "Beim TV-Duell gegen Jörg Haider hat er ausgesehen wie das Klischee eines Bilanzbuchhalters mit Gastritis", ätzt ein Parteifreund. Am Wahlkampfteam rund um Generalsekretär Hannes Missethon wird bemängelt, dass es sich großteils um Anfänger handle. Doris Bures organisiere hingegen schon den dritten Nationalratswahlkampf für die SPÖ. Was läuft da schief?

ÖVP will aus 2006 lernen. Eigentlich läuft alles nach Plan. Die ÖVP versucht die Fehler aus dem Wahlkampf 2006 zu vermeiden. Damals hatte die ÖVP nur auf ihren Kanzler, Wolfgang Schüssel, gesetzt. Dieser hatte das Thema Pflege vom Tisch gewischt, aber auch kein anderes soziales aufgebracht. Zudem hatte Schüssel seine langjährige Weggefährtin, die damalige Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer, allen Warnungen zum Trotz nicht fallen lassen.

Inhalte. Die Lehren daraus: Die ÖVP setzte diesmal in der ersten Wahlkampfphase und auf den ersten Plakaten ausschließlich auf Inhalte - und seien es langjährige SPÖ-Forderungen, wie eine höhere Familienbeihilfe, das einkommensabhängige Karenzgeld oder Pflichtkindergarten für alle Fünfjährigen. Auf der anderen Seite verlangte man härtere Strafen für Sexualstraftäter oder mehr Auflagen für Zuwanderer, um zu verhindern, dass all zu viele schwarze Wähler zu den Blauen abwandern. Und dann wurde auch noch Andrea Kdolsky, die unbeliebte Gesundheitsministerin und Vizeparteichefin, plangemäß zum Rückzug aus der Politik gedrängt. Zudem wollte die ÖVP die Leute im Sommer nicht mit Politik belästigen. Sie hält ihren offiziellen Wahlkampfauftakt daher erst am Freitag in Graz ab.

SPÖ gibt das Tempo vor. Nicht einberechnet wurde bei der Planung offenbar, dass die Konkurrenz nicht schläft. Egal, in welchem Winkel Österreichs sie wohnen, die ÖVP-Funktionäre haben in den vergangenen Wochen nur Faymann, Faymann, Faymann gesehen. Die SPÖ plakatiert das Land mit großformatigen Konterfeis ihres Kanzlerkandidaten zu und schaltet bereits fleißig Inserate. "Das Wichtigste ist jetzt, dass wir bei der Wahl Erster werden", sagt einer aus dem roten Wahlkampfteam, "um die Parteifinanzen kümmern wir uns danach wieder."

Wahlzuckerl. Im Wochentakt kündigt die SPÖ an, was sie im September noch alles im Nationalrat zu beschließen gedenke. Kaum macht die ÖVP einen Vorschlag, schon will ihn die SPÖ in die Tat umsetzen. Molterer braucht immer zwei, drei Tage, bis er weiß, wie er reagieren soll.

Innerparteiliche Spannungen. Das löst eben innerparteiliche Spannungen aus. Nur die Kärtner, die schwächste, und burgenländische, die kleinste, Landesgruppe beteiligen sich finanziell am Bundeswahlkampf. Die anderen bezahlen nur die regionale Kampagne. Schließlich müssen etliche von ihnen in den nächsten zwei Jahren Landeswahlen schlagen. Und nur die Bundespartei bekommt Wahlkampfkosten vom Staat zurückerstattet.

Stricherllisten. In der ÖVP-Zentrale in Wien wiederum werden Stricherllisten geführt, welcher Kandidat wie viele Wahlkampfauftritte absolviert. Angeblich, wird herumerzählt, schaue die Bilanz von Umweltminister Josef Pröll, Spitzenkandidat auf der niederösterreichischen Liste, nicht rosig aus. Er hat keine leichte Rolle: gilt nun schon seit Jahren als Reserve für den Job des Parteichefs und wird derzeit ständig vom Gegner, Faymann, öffentlich vereinnahmt, was andere noch misstrauischer werden lässt.