Ein Hauch von Kaltem Krieg lässt Europa mitten im Sommer frösteln. 40 Jahre nach der Niederschlagung des Prager Frühlings erweckt die russische Intervention in Georgien die seit dem Ende der UdSSR vergessenen Bruchlinien zu neuem Leben. Die Brutalität der Operation und deren Ausmaß sowie die Dauer der Besetzung eines souveränen Landes bezeugen knapp 20 Jahre nach dem Ende der Sowjet-Diktatur einen Zeitenwechsel.

Kein Zweifel. Die Kreml-Herrscher lassen keinen Zweifel daran, dass sie in ihrem kaukasischen Hinterhof wie schon seit Zaren-Zeiten nach eigenem Gutdünken agieren. Das gestrige Treffen der Nato-Außenminister dokumentierte die Ohnmacht des Westens. Mehr als der Beschluss, die Nato-Russland-Beziehungen bis zum Abzug der russischen Truppen aus dem georgischen Kernland auf Eis zu legen und jene zu Georgien zu intensivieren, war nicht zu erreichen.

Nato-Russland-Rat. Der Nato-Russland-Rat, Aushängeschild des einst so guten Verhältnisses zwischen Moskau und Brüssel, wurde gestern nicht abgeschafft. Es wurde auch keine Verteidigungsplanung für den Fall in Auftrag gegeben, dass die einstigen Mitglieder des Warschauer Pakts, die jetzt zur Nato gehören, angegriffen werden, obwohl der Georgien-Feldzug der Russen vor allem den Balten, aber auch Polen, Tschechen und allen anderen, die vor kurzem noch hinter dem Eisernen Vorhang leben mussten, einen gehörigen Schrecken eingejagt hat.

Dilemma. Die Aussetzung von Beratungen des Nato-Russland-Rats illustrierte das Dilemma: Sie gilt nur, solange noch russische Besatzungstruppen in Georgien sind. Danach will - und muss man auch - wieder miteinander sprechen. Eine Isolation Russlands sei nicht beabsichtigt, unterstrich auch US-Außenministerin Condoleezza Rice.

Möglichkeiten begrenzt. Die Möglichkeiten zum Handeln sind tatsächlich begrenzt. Russland ist ein strategischer Partner des Westens. Das reicht von der Bedeutung der Gas- und Öllieferungen bis hin zu den großen Krisen dieser Welt - vom Nahen Osten über den Iran bin Afghanistan. Ohne den Kreml lässt sich keine lösen.

Westen wird gebraucht. Andererseits weiß auch Moskau, wie sehr es den Westen braucht. Denn sein Wirtschaftssystem hängt vom globalisierten Kapitalismus ab. Dementsprechend gedämpft fiel die Empörung des russischen Nato-Botschafters Dmitri Rogosin über die gestrigen Beschlüsse der Allianz aus. "Der Berg hat gekreißt und ein Mäuslein geboren", höhnte er zwar, setzte aber hinzu: "Dies ist nicht der Beginn eines neuen Kalten Krieges." Hoffen wir, dass er Recht hat.