Tag eins nach dem Scheitern der großen Koalition. Ein erstes Wahlkampflüfterl weht durchs Parlament. Vor allem die ÖVP gibt sich entschlossen, trommelt, applaudiert ihren angriffslustigen Sprechern auffallend lang. Die SPÖ wirkt daneben direkt desperat. Noch-Kanzler Alfred Gusenbauer kauert sichtbar angeschlagen auf der Regierungsbank, zieht eine müde Bilanz der letzten eineinhalb Jahre und hofft auf "fairen Wettbewerb in der Wahlauseinandersetzung". Dann beklagt er sich, dass "noch genügend Arbeit verblieben wäre", wenn die ÖVP nur weitergemacht hätte.

"Wir stehlen uns nicht davon", kontert deren munter und angriffslustig wirkender Chef Wilhelm Molterer. "Österreich braucht "klare Verhältnisse". Er stehe für "Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Handlungsfähigkeit", verspreche nur, was er halten könne. Molterer deutet an, worum es demnächst gehen wird. Auf seiner Liste der Wahlkampfthemen stehen Sicherheit, Steuerentlastung und Arbeitsplätze ganz oben. Dann reitet er genüsslich auf dem neuen Steckenpferd der ÖVP herum, das ihm die SPÖ durch ihre Anbiederung an den EU-Kurs der "Kronenzeitung" geliefert hat. "Europa darf nicht Spielball für politisches Taktieren sein."

Heftige Kritik. Noch härter springt ÖVP-Klubchef Wolfgang Schüssel mit dem Noch-Partner um. Die SPÖ habe beim Thema EU nicht nur "Verrat an einer zentralen Idee", sondern auch "an der eigenen Seele begangen". Nachsatz: Und alles nur, "weil der Boulevard es so will". Das habe die Koalition zerstört. Nachsatz: "Wir wollten kein Scheitern.". Hämisches Gelächter in den Bänken der SPÖ.

"Absurde Situation". Dabei sieht die Tagesordnung derlei gar nicht vor. Eigentlich hätten nur drei neue Abgeordnete angelobt und drei neue neue Regierungsmitglieder auftreten sollen: Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), Frauenministerin Heidrun Silhavy und Beamtenstaatssekretär Andreas Schieder (beide SPÖ). "Das ist eine peinliche, absurde Situation", schimpft Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. "Die Regierung tritt ab und stellt neue Mitglieder vor." Das Ganze sei "Sinnbild der Zeit- und Energieverschwendung" dieser Koalition. Der Ober-Grüne ereifert sich über ein "verlorenes Jahr" und verpasste Chancen, stellt der Koalition ein vernichtendes Zeugnis aus. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kommt in Fahrt.

Scherbenhaufen. Dreimal habe die ÖVP seit 1995 "ihre Partner auflaufen lassen". Sie sei "ein Hort der Instabilität". Dann gibt er den Propheten: Nach der Wahl wollten SPÖ und ÖVP erneut "im großkoalitionären Bett kuscheln", das sei längst paktiert - und "Gusenbauer wird Außenminister". BZÖ-Chef Peter Westenthaler sieht einen "Scherbenhaufen".

U-Ausschuss vor dem Aus. Auch Polit-Feinspitze kommen auf ihre Rechnung: Ausgerechnet die SPÖ lehnt einen Antrag der Grünen auf Abschaffung der Studiengebühren ab, die der SPÖ-Spitze das Leben so schwer gemacht haben, weil sie deren Ende 2006 vor der Wahl versprochen hatte. Mühsame Erklärung: Die SPÖ will mit Blick auf die Zukunft und aus Angst vor der ÖVP, die als Retourkutsche mit der Opposition SPÖ-Minister zu stürzen drohte, die Schwarzen jetzt nicht mehr überstimmen. Deshalb steht auch der Untersuchungsausschuss zur Klärung der ÖVP-Affären im Innenministerium vor dem Aus. Die SPÖ will Anträge für eine Permanenzerklärung nicht mittragen. Übrigens: Gearbeitet wurde auch. Die Noch-Koalition hat das neue Ökostromgesetz beschlossen.