Luxemburgs Jean-Claude Juncker umarmte den Spanier José Luis Rodriguez Zapatero; José Socrates legte seinen Arm lässig über die Schulter von Angela Merkel und Silvio Berlusconi grinste von einem Ohr zum anderen. Er hatte vor seiner Abreise in Rom lamentiert, dass es in Europa keine Persönlichkeiten mehr gebe. Da stand er nun, Italiens unverwechselbarer Charakterkopf, im Kreise der europäischen Kollegen und freute sich wie ein Schneekönig, nach zweijähriger Absenz wieder mit von der Partie sein zu dürfen.

Nabelschau. Doch die betont aufgeräumte Stimmung, die die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Donnerstag zum Auftakt des zweitägigen Gipfels in Brüssel an den Tag legten, vermochte nicht über die Ratlosigkeit hinwegzutäuschen, in die das No der Iren zum Vertrag von Lissabon die Gemeinschaft gestürzt hat. Der irische Regierungschef Brian Cowen bat um Geduld. Seine Regierung brauche etwas Zeit, sagte er. Diese Zeit will die EU den Iren geben. Sie sollen über den Sommer einen Ausweg finden. Beim Gipfel im Oktober werden die EU-27 dann entscheiden, wie es weitergehen kann.

Geduld. Doch nicht alle wollen sich solange gedulden. So machte sich Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der sich nicht den französischen EU-Ratsvorsitz ab 1. Juli von den Iren torpedieren lassen will, für eine zweite Abstimmung der Grünen Insel über den EU-Vertrag stark. Ihm schloss sich Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn an. Auf eine rasche Beilegung der Krise drängt auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel: "Wir werden Irland die Chance gegeben, dass es ins Spiel zurückfinden kann", sagte sie. Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, wie es Juncker ins Spiel gebracht hat, lehnt Merkel aber ab. Nicht mehrheitsfähig ist auch eine Neuverhandlung des Vertrags. "Wir werden den Text nicht wieder aufmachen", sagte Österreichs Kanzler Alfred Gusenbauer.

Vertrag. Ein zweites Referendum wird daher immer wahrscheinlicher. Mittlerweile hat nämlich auch Großbritannien den Vertrag ratifiziert. Das wurde in Brüssel prompt als positives Signal gewertet. Damit wächst der Druck auf Irland. Hinter den Kulissen wird mit Hochdruck an einem Szenario gearbeitet, das es den Iren ermöglichen soll, mittels Sonderklauseln und Zusatzerklärungen noch vor den Europawahlen im Juni 2009 einen zweiten Anlauf zu nehmen. Als Vorbild wird das dänische Modell genannt. 1992 hatten die Dänen den Vertrag von Maastricht verworfen. Ihnen wurden daraufhin diverse Ausnahmen angeboten. Im zweiten Anlauf stimmten sie 1993 dann für den Vertrag.

Irland. Um den Iren das Ja zu erleichtern, könnte ihnen als besonderes Zuckerl ein fixer Kommissar zugestanden werden, wird gemunkelt. Der Gipfel versucht aber auch eine Antwort auf die gestiegenen Ölpreise zu finden. Nicolas Sarkozy forderte, die Mehrwertsteuern auf Treibstoffe einzufrieren, blitzte damit aber ab. Abgesegnet wurde von den Staats- und Regierungschefs hingegen die Einführung des Euro ab 1. Jänner 2009 in der Slowakei.