Nicht einmal in Ybbs. Nicht einmal im Heimatort von Alfred Gusenbauer, wo er mit sieben Jahren Bruno Kreisky gesehen und beschlossen hatte, Bundeskanzler zu werden, nicht einmal dort hielten sie am Sonntag zu ihm. 8,3 Prozentpunkte verlor die SPÖ bei der niederösterreichischen Landtagswahl in dem Städtchen an der Donau. Damit unterbieten die Ybbser Roten sogar den miserablen Landesschnitt: Die SPÖ verliert acht Prozent und kommt auf 25,6 - so schlecht hat die Landespartei in der Zweiten Republik noch nie abgeschnitten. Die ÖVP hingegen hat Grund zum Jubeln: Landeshauptmann Erwin Pröll baut seine ohnehin absolute Mehrheit auch noch um ein Prozent auf 54,3 aus.

Heißt das: Neuwahlen? Finden noch vor der Fußball-Europameisterschaft im Juni Parlamentswahlen statt? Damit sich das ausginge, müsste sich der Nationalrat binnen drei Wochen auflösen. Aber: "Das ist ein Fingerzeig für die Bundesregierung - arbeiten statt streiten", sagt der Wahlsieger Pröll. Und ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer ergänzt: "Eskalation und Provokation werden vom Wähler nicht gewünscht. Arbeit aber schon." Vergangene Woche jedoch waren die Schwarzen sehr wohl versucht, der großen Koalition ein Ende zu bereiten. Doch ausgerechnet die Tatsache, dass die SPÖ noch schlechter abgeschnitten hat als erhofft - und zu einem kleinen Teil auch das Ybbser Ergebnis -, brachte ein Umdenken. Man hofft nun auf eine rote Obmanndebatte, die man sich erste Reihe fußfrei anschauen will. "In einem halben Jahr ist Gusenbauer noch kaputter", hofft ein schwarzer Parteigrande, "dafür sorgen schon die roten Landeshauptleute, da müssen wir gar nichts tun."

"Molterer ist kein Pröll". Der zweite Grund, der aus ÖVP-Sicht gegen Neuwahlen spricht: Die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung spielte bei der niederösterreichischen Wahl nur eine Nebenrolle. In einer Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek war dies mit 19 Prozent der am seltensten genannte Anlass. Das zentrale Motiv waren die Spitzenkandidaten, allen voran Erwin Pröll. 85 Prozent ihrer Wähler schenkten der ÖVP dezidiert wegen Pröll die Stimme. "Aber Molterer ist kein Pröll", gesteht ein ÖVP-Spitzenfunktionär ein. Durchbringen würde die ÖVP Neuwahlen allemal. Zwar gibt sich die FPÖ spröde, aber die Grünen würden wahrscheinlich zustimmen, wenn gesichert wäre, dass der Untersuchungsausschuss so lange weiter arbeitet, bis der neue Nationalrat zusammentritt. Das BZÖ hat ohnehin längst einen Neuwahlantrag eingebracht.

Gelassen. Die SPÖ gibt sich dennoch gelassen. "Vielleicht lösen sich jetzt einige Blockaden von selbst", sagt Bundesgeschäftsführer Josef Kalina: "Manche Konflikte hat ja Erwin Pröll geschürt, um dann dagegen zu wettern." Kalina meint die Pflege, bei der sich Pröll gegen das erste Regierungsmodell stark gemacht hat, und die Grundsicherung, die mit Niederösterreich noch nicht abgestimmt ist. Trotzdem hat die SPÖ einen Plan B im Köcher: "Eine Partei, die Neuwahlen will, hat in der Regierung nichts verloren", droht ein roter Stratege: "Da wird ihnen das Lachen schon vergehen: ein Wahlkampf ohne die Apparate der Ministerien." Soll heißen: Gusenbauer könnte die schwarze Mannschaft vom Bundespräsidenten durch eine rein rote ersetzen lassen. Wo solche Gedanken gehegt werden, kann von einer Verbesserung des Klimas wohl keine Rede sein. An der jüngsten Taktik der SPÖ-Spitze, niedrigere Steuern per Ultimatum zu verlangen, regt sich auch schon Kritik. "Man sieht, dass die Zuspitzung nichts genützt hat in Niederösterreich ", sagt der frühere Innenminister Karl Schlögl. Heute ist er Bürgermeister von Purkersdorf, einer Kleinstadt in der Nähe von Wien. Dort hat die SPÖ gestern 7,7 Prozent verloren.