Herr Klubobmann, es sind jetzt Kisten mit dubiosem Inhalt über eine mögliche Querfinanzierung von der Bawag zur SPÖ aufgetaucht. Das wäre doch ein klassisches Thema für den Untersuchungsausschuss.
WOLFGANG SCHÜSSEL : Was jetzt passiert ist, ist doch der schlagende Beweis dafür, dass die ÖVP den richtigen Weg beschreitet. Acht Monate lang hat der Bankenausschuss ein Tribunal veranstaltet. Ergebnis gleich Null. Jetzt stößt die Justiz plötzlich auf neues Material. Umgekehrte wäre es richtig gewesen.

Warum nicht die Bawag auf die Tagesordnung nehmen? SCHÜSSEL : Es ist immer geleugnet worden, dass Geld von der Bawag an die SPÖ, an den Konsum und den ÖGB geflossen ist. Jetzt gibt es Indizien dafür. Wir ändern nicht unsere Strategie. Zuerst sollen Polizei und Justiz objektiv, sachlich, transparent ermitteln. Wenn alles auf dem Tisch liegt, stellt sich die Frage der politischen Verantwortung.

Sollte bei der Bawag was rauskommen, muss ein Ausschuss her?
SCHÜSSEL : Ich kommentiere nicht was wäre wenn. Ein parteipolitisches Tribunal macht keinen Sinn. Dort geht es nicht um die Wahrheit, sondern um die Mehrheit.

Laut Haidinger wurden Unterlagen an den ÖVP-Klub geschickt.
SCHÜSSEL : Das ist nachweislich falsch. Das ist eine ungeheuerliche Unterstellung. Ich habe alle befragt. Ich kann garantieren, dass kein einziger Akt im ÖVP-Klub eingetroffen ist. Mich wundert, dass die Staatsanwaltschaft, die seit Sommer darüber weiß, bisher nichts unternommen hat.

Der U-Ausschuss könnte zum Tribunal gegen die ÖVP werden.
SCHÜSSEL : Ich bin total entspannt , wir haben ein reines Gewissen. Das wird nach hinten losgehen. Die Leute durchschauen, dass die Opposition erstklassige ÖVP-Minister anpatzen will. Das ist ein typisches „dirty campaigning.“

Warum wollen sie keinen U-Ausschuss?
SCHÜSSEL : Wir sagen nicht Nein zu einem Untersuchungsausschuss, sondern Ja zu einem viel besseren Weg der Ermittlungen. Niemand will von uns was vertuschen. Zuerst Aufklärung durch Polizei und Justiz, dann erst wird die politische Verantwortung beurteilt.

Gusenbauer hat bei der Steuerreform den Kurs geändert. Haben Sie noch Vertrauen in den Kanzler?
SCHÜSSEL : Sie müssen Gusenbauer fragen, was er sich dabei gedacht hat. Die Steuerreform ist ein Herzstück der Koalition. Im letzten Jahr haben wir einen sehr präzisen Fahrplan festgelegt. 2010 ist ohnehin laut EU-Kommission ein sehr ambitionierter Termin. Übrigens: Eine Steuerreform muss am 1. Jänner in Kraft treten, weil sonst dreht ihnen die Lohnverrechnung in den 300.000 österreichischen Unternehmen durch.

Haben Sie noch Hoffnung, dass man sich zusammen rauft?
SCHÜSSEL : Eine Steuerreform, die ausschließlich auf Schulden basiert, ist absolut verantwortungslos. Mit der einen Hand greift man in die Tasche und gibt nur einen Bruchteil dessen wieder zurück, was man herausgezogen hat. Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen und die Arbeitslosen von übermorgen.

Nochmals: Wird man sich noch zusammen raufen?
SCHÜSSEL : Wenn jemand bei einem gemeinsamen Ausflug sich seitwärts in die Büsche schlägt, kann man nicht erwarten, dass ihm die ganze Gruppe folgt. Da muss man sagen: Komm' auf den gemeinsamen Weg zurück!

Dann wird er aber als Umfaller vorgeführt.
SCHÜSSEL : Das ist Unsinn. Er darf doch nicht auf jene hören, die ihn da hineintheatert haben. Man muss auf die Profis hören. Seit acht Jahren ist die ÖVP für die Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik verantwortlich. In diesen acht Jahren hat sich Öster reich blendend entwickelt.

Nochmals, ist ein Konsens zur Steuerreform noch möglich?
SCHÜSSEL : Da müssen sie jene fragen, die sich bei einem gemeinsamen Ausflug auf einem sehr guten rot-weiß-roten Weg in die Büsche geschlagen haben.

Sind Sie von Gusenbauer enttäuscht?
SCHÜSSEL : Ich kommentiere meinen Nachfolger nicht. Es gibt überhaupt keinen Grund in Panik zu verfallen. Warum immer diese Fieberkurven im SPÖ-Sekretariat? Ich erwarte mir mehr Gelassenheit und Festigkeit.

Hält die Koalition bis 2010?
SCHÜSSEL : Das weiß ich nicht. Es wäre unsinnig, wenn eine große Koalition, die noch dazu die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert hat, nach 13 Monaten drauf kommt, dass es nicht geht. Noch dazu läuft es ganz gut. Zwei Drittel aller Vorlagen, kommen von ÖVP-Ministern. Dass wir Nein-Sager sind, ist absurd.

Wovon hängt der Bestand der Koalition ab?
SCHÜSSEL: Es hängt davon ab, wie von der SPÖ-Spitze die Dinge jetzt weitergeführt werden. Es wäre gut, wenn die SPÖ inne hält und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zurückzukehrt. Ich glaube nicht, dass da jemandem ein Stein aus der Krone fällt. Niemand würde schreien „Umfaller, Umfaller“. Das wäre Ben Hur-Mentalität. Da fahren ein paar muskulöse Männer im Kreis und haben zu viel Testosteron. So kann man Politik nicht machen.

Van Staa sagt, wenn die Koalition nicht funktioniert, braucht man Neuwahlen.
SCHÜSSEL: Das wäre doch ein Armutszeugnis. Nach der Wahl sitzen wir wieder da, die Probleme sind die gleichen und wir habe ein Jahr verloren.