Sie sind Top-Experte für die Parteifinanzierung. Warum tut sich Österreich mit der Offenlegung so schwer?
HUBERT SICKINGER: Das ist unser katholisches Erbe. Im Unterschied zu den protestantisch geprägten Länder wird die Frage nach dem Einkommen als unfein abgetan. Über Geld redet man einfach nicht. Außerdem verdienen Politiker viel und wecken den Neid des Bürgers mit seinem Durchschnittseinkommens.

Wie "gläsern" sind die Abgeordnete hierzulande?
SICKINGER: "Gläsern" ist das offizielle Gehalt. Vor zehn Jahren ist diese Frage durch die Bezugspyramide sehr gut geregelt worden. Spezielle Privilegien gibt es nur noch für Altpolitiker, etwa bei den Pensionen. Freiwillig ist das damals nicht passiert. Wegen arbeitsloser Einkommen von Beamten ist die Politik zwei Jahre lang geprügelt worden.

Im EU-Vergleich ist das offizielle Gehalt durchaus fürstlich.
SICKINGER: Über die Bezahlung dürfen sich die Abgeordneten nicht beklagen. Diese ist auf international hohem Niveau.

Weniger gut sind die Nebeneinkünfte geregelt.
SICKINGER: Die Posse um die öffentliche Liste, die beim Portier einsehbar ist, aber nicht ausgedruckt werden darf, spricht Bände. In der Liste sind nur jene Arbeitgeber aufgelistet, die mehr als 1123 Euro zahlen. Da existiert ein Grauschleier.

Wie könnten die Nebeneinkünfte geregelt werden? Ein Gehaltsstriptease wie in Skandinavien?
SICKINGER: In Österreich ist das leider nicht umsetzbar. Als Kompromiss bietet sich das deutsche Modell an. Dort werden die Einkommen in drei Kategorien eingeteilt und veröffentlicht. Das deutsche Modell ist ein Kompromiss zwischen dem legitimen Interesse der Öffentlichkeit nach Transparenz und einem kulturell geprägten Geheimhaltungsinteresse. Zumindest kann man sich ein Bild davon machen, in welchem Ausmaß ein Abgeordnete für einen gewissen Arbeitgeber tätig ist, ohne Details zu erfahren.

Es bleibt ein Grauschleier.
SICKINGER: Gegenüber dem Präsidenten des Bundestags muss der Abgeordnete seine Einkünfte komplett offenlegen. Die Öffentlichkeit erfährt hingegen, ob er zum Beispiel ein substanzielles monatliches Einkommen von mehr als 3500 Euro monatlich bezieht. In Großbritannien muss ein Abgeordneter, der als Rechtsanwalt tätig ist, den Namen seines Mandaten preisgeben.

ÖVP, aber auch SPÖ tun sich schwer damit. Liegt es an den Freiberuflern?
SICKINGER: Die Freiberufler werden nur vorgeschoben. in Wirklichkeit geht es um die Angst der Multifunktionäre vor einer neuen Privilegiendebatte. Es gibt Abgeordnete, die Gewerkschafter sind, in einem Sozialversichungsgremium sitzen und von ihrem Arbeitgeber über einen Sondervertrag freigestellt sind.

SPÖ-Abgeordneter Jarolim hat gefordert, jeder Bürger soll seine Einkünfte offenlegen.
SICKINGER: Er hat schon zurückgerudert. Wenn man sagt, nicht nur Politiker, sondern auch die Bürger sollen offenlegen, dann ist das Thema tot.

Wo gibt es noch Regelungsbedarf?
SICKINGER: Was überhaupt nicht transparent ist, sind die Spenden an Politiker. Wenn eine Spende an eine Partei geht, gibt es zumindest auf dem Papier Regeln, die in der Praxis unterlaufen werden. Bei Politiker gibt es nicht einmal das. Da sind wir Nachzügler.