Um sieben Uhr in der Früh stand die betagte, redselige Dame vor der schweren Eingangstür zu jenem Haus am Lobkowitzplatz im 1. Bezirk, in dem Kurt Waldheim gewohnt hatte. Sie legte ein Blume nieder. Vor ihr dürften allerdings schon einig andere hier gewesen sein. Rosen in vielerlei Farben schmückten das Portal. "Nein, in die Kirche gehe ich nicht", erklärte sie. Dort würde es ihr zu voll sein. Und später, auf dem Zentralfriedhof, viel zu heiß. "Aber im Fernsehen schau' ich mir das schon an. Und sie müssen eines wissen: Ich habe den Herrn Waldheim damals nicht gewählt. Aber er hat in seinem Vermächtnis um Versöhnung gebeten."

Vergessen und Bewahren. Und genau das habe er "in beispielloser Art" getan, wie Kardial Christoph Schönborn in dem von ihm zelebrierten und außergewöhnlich bewegendem Requiem im Stephansdom betonte. Der am 14. Juni im Alter von 88 Jahren verstorbene Altbundespräsident sei wie kein Zweiter im Kreuzfeuer einer menschlichen und politischen Frage gestanden, nämlich: Wie viel vergessen und wie viel Bewahren der Mensch braucht. Beides, so Schönborn, wäre notwendig, "aber im rechten Maß. Es geht darum, zu vergessen, was uns entzweit und zu bewahren, was uns eint".

Trauerrede von Fischer. Während sich der Dom dann schön langsam füllte, nachdem sich vor Beginn des Requiems noch relativ wenige Menschen ins Kondolenzbuch eingetragen hatten und auch vor dem Dom, der weitreichend abgesperrt war, nur wenig tat, hielt auch Bundespräsident Heinz Fischer eine beeindruckende Trauerrede. Das Staatsoberhaupt plädierte dafür, Waldheims "berührende letzte Worte", in denen er seine Hand ganz speziell in Richtung seiner Kritiker und Gegner ausgestreckt habe, anzuerkennen. Waldheim habe Versöhnung angestrebt, und diese Hand würde man nicht ausschlagen dürfen. "Vielmehr gilt es, die Größe dieser Geste zu würdigen."

Volksmesse. Im Anschluss an den Gottesdienst, den sich Waldheim ausdrücklich als "Volksmesse" gewünscht hatte und bei dem auch Tiroler Schützen in Erinnerung an Waldheims Verdienste um die Südtirol-Lösung anwesend waren, ging es dann über den für kurze Zeit gesperrten Ring weiter zum Ballhausplatz - in Waldheims Biografie ein besonderer Wort. Schließlich hatte er auf beiden Seiten residiert - als Außenminister im Kanzleramt, als Bundespräsident in der Hofburg.

Der verspätete Kanzler. Bei der dort abgehaltenen Gedenkminute war dann auch der erst am frühen Morgen vom EU-Gipfel aus Brüssel zurückgekehrte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer vor Ort, somit war auch die Bundesregierung endlich vollzählig. Auf das Einladen ausländischer Staatsgäste war auf Wunsch Waldheims übrigens verzichtet worden. Der prominenteste war schließlich Liechtensteins Fürst Adam II.