Wen soll ich am 27. Dezember bloß wählen?" Das ist die Frage, die man derzeit in Zagreb am häufigsten hört. Die TV-Sender berieseln die Kroaten vor der Präsidentenwahl nur mit Nebensächlichkeiten. So dürfen die Kandidaten vor den Kameras Krautrouladen kochen. Doch wie soll das Kochen einer Nationalspeise Interesse wecken?

Der Kampf um die Wählergunst wird hauptsächlich von Politikern der zwei großen Parteien gefochten. Denn neben den offiziellen Kandidaten der Sozialdemokraten (SDP) und der national-konservativen HDZ haben beide Großparteien auch aussichtsreiche Dissidenten im Rennen. Bei der HDZ gibt es neben Andrija Hebrang gleich zwei Kandidaten, die erst vor kurzem aus der Partei austraten, nur um an der der Wahl teilnehmen zu können. Neben Nadan Vidosevic ist das der ehemalige Bildungsminister Dragan Primorac. Bei der SDP kandidiert neben Ivo Josipovic auch Milan Bandic, der ehemalige Bürgermeister von Zagreb. Daneben gibt es fast zwei Dutzend Kandidaten, doch die haben alle nur geringe Chancen.

Der Wahlkampf gleicht einer Schlammschlacht. Wobei deutlich wird, dass sich die Kandidaten der geringen Kompetenzen eines kroatischen Präsidenten - im Unterschied etwa zu Frankreich oder den USA - nicht bewusst sind. Anstatt Lösungen für

das unter der Wirtschaftskrise stöhnende Kroatien zu präsentieren, wird mit populistischen Phrasen, gegenseitigen Unterstellungen und Beschimpfungen gekämpft. So warf Nadan Vidosevic dem Gegenkandidaten Dragan Primorac vor, dieser ,,schlage seine Ehefrau". Die Medien heizten die Geschichten weiter an und vermitteln eine Art Zirkusstimmung. Auch, weil der aus Split stammende Vidosevic wegen seiner Erscheinung kroatischer George Clooney genannt wird. Bei jeder Gelegenheit wird über seine Villen, Schnellboote oder die Marken seiner Anzüge geschrieben.

Dem Zagreber Ex-Bürgermeister Bandic, der mit aller Macht Präsident werden will, widmen die Medien ebenso breiten Raum. Bandic besucht jedes Dorf. In Slawonien wollte er bei Tiefschnee auf einem Soldatenfriedhof unbedingt einen Kranz niederlegen. Wegen der Unzugänglichkeit des Terrains zog er sogar die Schuhe aus, watete in Socken durch den tiefen Schnee und plumpste dabei auf den Boden. Daraufhin erschien die gesamte Boulevardpresse mit dem Aufmacher: "Bandic fiel auf den A....!"

Ivo Josipovic ist der Favorit

Die wahre Wählerstimmung ist allerdings schwer zu bestimmten. Jeden Tag gibt es Veröffentlichungen von diversen Instituten, deren Ergebnisse stark voneinander abweichen. In einem stimmen aber alle überein: Ivo Josipovic bekommt die Mehrheit.

Der schweigsamer Jurist ist jedoch vor allem Musiker und Komponist. Das Klavierspielen scheint ihm mehr am Herzen zu liegen als vieles andere. Ein Politiker war er nie. Er lacht selten und in den E-Mails die täglich die Zeitungen erreichen, wird er als das ,,gekochte Bein" bespöttelt.

Josipovic steht damit im deutlichen Gegensatz zum Noch-Präsidenten Stjepan Mesic. Er gab in den vergangenen zehn Jahren eine Präsidentenfigur, die viel Wert auf Witzemachen legte und damit überall Popularität erntete.

Es steht zu erwarten, dass auch der Stil der Präsidentschaft anders wird. Josipovic lebt zurückgezogener, das Bad in der Menge scheint ihm nicht so zu liegen.

Ohnedies ist der Weg für ihn noch weit. Die Wahl wird erst am 11. Jänner entscheiden. Gewiss ist nur, dass Josipovic neben zwei weiteren Kandidaten in die zweite Runde aufsteigen wird. Gute Chancen haben dabei Bandic oder Vidosevic. Die Prognosen für den offiziellen HDZ-Kandidaten Hebrang liegen dagegen schlecht, er wird die zweite Runde wohl verpassen. Darin liegt aber die Gefahr für Josipovic, weil alle HDZ-Wähler - und die ehemalige Tudjman-Partei hat eine überaus disziplinierte Wählermaschinerie - dann für Bandic oder Vidosevic votieren werden.