Für Barack Obama wird es ein Tag, an dem Friedenshoffnungen und die harte Realität als Präsident einer kriegführenden Nation in besonders scharfem Gegensatz aufeinandertreffen. Am Donnerstag wird der US-Präsident in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die Ehrung kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt: Obama wird sich in seiner Dankesrede einerseits als würdiger Preisträger erweisen müssen, andererseits wird er seine in der Vorwoche vorgestellte Entscheidung zur militärischen Eskalation in Afghanistan nicht verschweigen können. Seit Bekanntgabe der Ehrung im Oktober verfestigt sich der Eindruck, dass Obama den Preis eher als Bürde empfindet.

Militäreinsätze zur Erzwingung des Friedens

Obamas Rede wird sich zwangsläufig von jenen Ansprachen unterscheiden, mit denen sich frühere Preisträger wie Mutter Teresa oder der Dalai Lama für die Auszeichnung bedankten. Obama werde den Friedenspreis in seinem Selbstverständnis als "Kriegspräsident" entgegennehmen, kündigte sein Sprecher Robert Gibbs an. Der Präsident werde in Oslo ausdrücklich auf die zeitliche Nähe zwischen der Preisverleihung und seiner Entscheidung zur Truppenaufstockung in Afghanistan eingehen und die situationsbedingte Notwendigkeit von Militäreinsätzen zur Erzwingung des Friedens begründen.

Die Botschaft des US-Präsidenten dürfte also lauten: Der Frieden setzt bisweilen den Krieg voraus. "Das ist nicht das, was das Nobelkomitee erwartet oder gewünscht hat, als es Obama im Oktober den Preis zuerkannte", urteilte der Präsident des Brookings-Instituts in Washington, Strobe Talbott, in einem Beitrag für die "Washington Post". "Es hört sich vielmehr an wie etwas, das George W. Bush in dem unwahrscheinlichen Fall gesagt hätte, dass er nach der Invasion im Irak nach Oslo gefahren wäre." Talbott betrachtet Obamas Rede aber als gute Gelegenheit, im Ausland um Vertrauen für die USA und ihren Einsatz zu werben.

Dialog, Diplomatie und Entspannun

Mit seiner umstrittenen Entscheidung ehrte das Osloer Nobelkomitee einen Präsidenten, dessen Gestaltungswille weit über die Grenzen der USA hinausreicht. Es würdigte den Geist von Dialog, Diplomatie und Entspannung, den Obama immer wieder beschwört. Die Preisverleihung sahen die Komiteemitglieder erklärtermaßen als Ermunterung zum weiteren Beschreiten eines friedfertigen Weges. Zu handfesten außenpolitischen Erfolgen hat dieser Weg Obama freilich noch nicht geführt. Obamas bisher konkretestes außenpolitisches Ergebnis ist die Entscheidung, die Zahl der US-Soldaten in Afghanistan von 34.000 bei seinem Amtsantritt auf etwa 100.000 im kommenden Jahr zu erhöhen.

Mit der Zuerkennung des Nobelpreises hat das Komitee in Oslo vor zwei Monaten auch den Preisträger selbst völlig überrascht. Obama drückte es nach der Bekanntgabe so aus: "Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass ich es verdient habe." Er selbst und seine Mitarbeiter haben die Ehrung seitdem kaum erwähnt. Ein wenig scheint es, als ducke sich Obama vor der Würdigung und den damit verbundenen Erwartungen.

Argwohn statt Stolz

Daheim in den USA brachte ihm die Auszeichnung keinen politischen Nutzen, im Gegenteil. Vor dem Hintergrund einer zunehmend isolationistischen Stimmung in der durch Wirtschaftskrise und Kriegseinsätze verunsicherten Bevölkerung sorgt Obamas Ehrung eher für Argwohn als für Stolz.

In einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des New Yorker Quinnipiac-Instituts gaben 61 Prozent der Befragten an, Obama habe den Preis nicht verdient. Nur 21 Prozent sahen die Würdigung als gerechtfertigt an. "Wahrscheinlich ist es für Obama gut, dass es eine große Zeitverschiebung zu Norwegen gibt", sagt Quinnipiac-Vizedirektor Peter Brown. "Das bedeutet, dass die meisten Amerikaner während der Preisverleihung noch schlafen und die Medien wohl weniger darüber berichten."