Wenn jeder Chinese nur fünf türkische Oliven isst - man stelle sich nur vor, was dazu zusammenkommt." Wenn es um China geht, gerät die Türkei wirtschaftlich ins Schwärmen. Außenwirtschaftsminister Zafer Caglayan, der die Olivenrechnung aufgestellt hat, hätte noch weitere Beispiele für den Nutzen der türkisch-chinesischen Kooperation zur Hand. Dabei waren China und die Türkei noch im Juli diplomatisch aneinander geraten - die Türkei warf China vor, am Brudervolk der Uiguren Völkermord zu begehen. Doch schon Anfang September hatte Zafer Caglayan bereits das vierte Mal in nur drei Monaten China besucht, und seither nimmt das Hin- und Herreisen von Wirtschaftsdelegationen kein Ende.

In der Türkei ist China angetreten, dem Westen als Investor Konkurrenz zu machen. Das wohl umstrittenste Symbol dafür sind Überlegungen, den Ilisu-Staudamm mit chinesischer Hilfe zu bauen. Also dort einzusteigen, wo Österreich, Deutschland und die Schweiz im Sommer ausgestiegen sind. Der Damm am Tigris ist eines der umstrittensten Projekte der Welt. Bis zu 60.000 Menschen müssten umgesiedelt werden. Und die einzigartige Felsenstadt Hasankeyf, Stätte tausendjähriger Geschichte, würde unter Wasser gesetzt. Weil die Türkei die Auflagen zum Schutz von Umwelt und Kulturgütern nicht einhielt, zogen die drei Länder im Juli ihre Exportgarantien zurück. Das Projekt schien gestorben.

Helfer in der Not

Doch der türkische Umweltminister Veysel Eroglu machte schon eine Woche nach dem Stopp eine andere Rechnung und sagte: "Zurückgezogen wurden nur die Exportgarantien, also 408 Millionen Euro. Das ist nur ein sehr kleiner Teil der Gesamtkosten von circa 2,5 bis 3 Milliarden Euro. Wir bauen sicher weiter".

Als Helfer in der Not, der schon beim Drei-Schluchten-Staudamm am chinesischen Jangtse bewies, um umweltpolitische Bedenken und Umsiedlungen keine Bauhindernis darstellen, ist jetzt China im Gespräch, beziehungsweise die staatliche chinesische Exportversicherung Sinosure. Sie soll den Eingang der Kosten jener Turbinen garantieren, mit denen der Ilisu-Damm Elektrizität herstellen wird. Das meldete dieser Tage die Umweltorganisation International Rivers aus Berkeley in den USA.

Die Turbinen kämen, wie auch bisher geplant, von der Andritz Hydro, Tochter der Grazer Firma Andritz AG - nur nicht aus Graz, sondern direkt aus China. Die Andritzer sind in China gut im Geschäft und haben von dort erst im Oktober neue Aufträge von 80 Millionen Euro eingefahren.

In der Türkei nimmt man diese Nachrichten ernst. Erkan Güven, Vorsitzender der Umweltgruppe Doga-Dernegi, hat in einem offenen Brief Sinosure gebeten, das Archäologie- und Umweltparadies von Hasankeyf nicht mit Hilfe einer neuen chinesischen Mauer zu überfluten. Die türkische Wirtschaft dagegen jubelt. Sie sieht die Chinesen in Hasankeyf nur als Startschuss für eine ganze Reihe von Projekten. Besiegelt ist bereits eine Investition des Autobauers Dong Feng Motors für leichte LKW und für Transporter.