Herr Außenminister, Sie tingeln durch alle Bundesländer, um mit den Bürgern in Kontakt zu treten. Ist das nicht eine Alibiaktion? Das muss doch regelmäßig passieren.

MICHAEL SPINDELEGGER: Ich will einen Dominoeffekt erzeugen. Das ist meine Zielsetzung. Ich will auch andere politische Ebenen gewinnen, dass auch sie einen solchen Dialog durchführen.

An welche denken Sie?

SPINDELEGGER: In erster Linie an die Gemeinden. Ich wünsche mir, dass es in Zukunft möglichst in jeder Gemeinde einen EU-Gemeinderat gibt, als Anlaufstelle für die Fragen der Bürger. Wir bieten dafür ein Einstiegsseminar an. Auch die Europaausschüsse der Landtage sollten aktiv werden.

Nochmals zur Dialogtour: Ist es nicht das Problem von EU-Veranstaltungen, dass die EU-Befürworter unter sich bleiben?

SPINDELEGGER: Ich habe am Montag gemeinsam mit dem Bundeskanzler die Dialog-Tour in St. Pölten gestartet, und wir hatten ein ganz anderes Publikum als sonst. Man hat es an den Wortmeldungen gemerkt, es war nicht der übliche EU-Speak. Genau deshalb gehe ich ganz bewusst in die Bundesländer hinaus und bleibe nicht in Wien.

Der Vertrag von Lissabon tritt bald in Kraft. Wird man die Bürger informieren?

SPINDELEGGER: Wir haben bisher schlechte Erfahrungen mit Hochglanzbroschüren gemacht. Die werden genommen, aber nicht wahrgenommen. Man sollte einen anderen Weg gehen, nicht abstrakt, sondern über Konkretes wie etwa die neue Energiekompetenz der EU.

Die Politik klagt oft darüber, dass die Bürger wenig über die EU wissen. Wenn die EU aber einmal für Schlagzeilen sorgt, dann gibt sie ein erbärmliches Bild ab wie bei der Kür der neuen EU-Doppelspitze.

SPINDELEGGER: Wir müssen in Rechnung stellen, dass es sich um zwei Positionen handelt, die erstmals besetzt werden. Es gibt keine Vorbilder, an deren Glanz und Glorie man sich messen kann.

Die zwei Ämter wurden geschaffen, um der EU ein Gesicht nach außen zu geben. Warum hat man sich für zwei Unbekannte entschieden?

SPINDELEGGER: In der öffentlichen Diskussion entsteht der Eindruck, man habe jetzt den Präsidenten Europas und damit unser aller Präsidenten gewählt. Das stimmt nicht. Es ist auch nicht so, dass die Außenpolitik nur mehr in Brüssel gemacht wird.

Wie war es wirklich mit den Chancen der Österreicher auf einen EU-Topjob? Hätte die Regierung nicht mehr machen können?

SPINDELEGGER: Hinter den Kulissen ist, was Wolfgang Schüssel betrifft, einiges getan worden. Ich habe selber dazu beigetragen. Es ist ehrend für uns Österreicher, dass immer wieder drei Personen genannt wurden: Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer, der vor allem in der letzten Phase von den Sozialdemokraten ins Spiel gebracht wurde, und Ursula Plassnik.

Faymann hat immer geanwortet: Nie gehört! Was stimmt jetzt?

SPINDELEGGER: Ich kann nicht für den Bundeskanzler reden. Er hat das wahrscheinlich auf seine Gespräche in der Sozialdemokratie bezogen. Ich habe den Namen Gusenbauer auch nie im Kreise der EU-Volkspartei gehört, und trotzdem war er präsent.

Ist zu wenig getan worden?

SPINDELEGGER: Nein. Es kann aber nur funktionieren, wenn der Ball von anderen aufgegriffen wird. Dass es nicht so weit gekommen ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Es ist eine ehrende Sache für uns, dass wir Persönlichkeiten haben, die ein europäisches Profil besitzen.

Wer hatte die besten Karten?

SPINDELEGGER: Sicherlich Wolfgang Schüssel.

Ist die Nominierung des EU-Kommissars optimal gelaufen?

SPINDELEGGER: Optimal sicher nicht. Man muss auch daraus lernen. Es gab zu viel öffentliche Begleitmusik. Andererseits wird Transparenz eingefordert. Hätte man alles hinter den Kulissen gemacht, wäre man auch nicht zufrieden gewesen.