Sind Sie zufrieden, dass der Bundeskanzler verhindert hat, dass Ihr "Wunschkandidat" nach Brüssel geht?JOSEF PRÖLL: Ich habe für Willi Molterer bis zuletzt gekämpft.

Bleiben Spannungen zwischen Ihnen und Werner Faymann?PRÖLL: Man merkt sich gewisse Verhaltensweisen. Noch ist es nicht so weit, dass das zu einer Verstimmung zwischen uns geführt hätte, aber es ist eine Situation gewesen, die ich bedaure und aus der man lernen sollte.

Bis wann werden Sie über die Nachfolge von Hahn als Minister entscheiden?PRÖLL: Hahn muss sich im EU-Parlament einem Hearing stellen und danach noch einige Eckpunkte durchlaufen bis zur definitiven Bestellung, da sind noch mehrere Wochen Zeit.

Es gibt auch zwei steirische Kandidatinnen, Beatrix Karl und Kristina Edlinger-Ploder. Was sind Ihre Kriterien?PRÖLL: Ich werde mir ein breites Feld anschauen, auch Personen der Wissenschaft, Rektoren, Vizerektoren, die ganze Palette.

Sie haben gerade mit ÖVP-Arbeitnehmervertretern in Graz diskutiert. Eines der Hauptthemen war die Hacklerregelung, die dort sehr befürwortet wird. PRÖLL: Dass es da Diskussionsbedarf gibt, ist klar, aber wir müssen darüber reden, wie wir die 700 Millionen Euro Mehrkosten herunterbringen, gemeinsam.

Könnten Sie sich eine Lösung vorstellen, die man jetzt erarbeitet, die aber erst 2013 in Kraft tritt?PRÖLL: Ich glaube, dass man jetzt vor allem auch in die Diskussion mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer eintreten muss. Wir gehen immer früher in Pension, leben immer länger, sind auch immer länger in Ausbildung. Das kann sich nicht ausgehen.

Muss man Unternehmer bestrafen, die ihren Mitarbeitern den "Golden Handshake" geben?PRÖLL: Natürlich muss man begleitend mit der Wirtschaft reden und ihnen klar machen, dass mit der Freiheit der Überführung älterer Dienstnehmer ins Pensionssystem Schluss sein muss.

Zuletzt ist insbesondere der Arbeitnehmerflügel der ÖVP durch recht progressive Ideen aufgefallen. Beobachter sprechen von einer "Sozialdemokratisierung" der ÖVP. Teilen Sie diesen Befund?PRÖLL: Gott behüte uns vor der Sozialdemokratie in der ÖVP! Nein, wir haben eine christlich-soziale Geschichte und Herkunft. Und wir sind durchaus aufgebrochen, nach der Arbeit der Perspektivengruppe, wo viele Konzeptionen bereits angedacht wurden, die uns jetzt tragen. Damals bin ich belächelt worden, heute machen wir damit Punkte. Uns geht es nicht um eine Sozialdemokratisierung, sondern darum, auf die Leistungsträger zu setzen.

Bisher setzte die ÖVP auf die Beamten, die Bauern, die Wirtschaft. Hat sich da etwas verschoben?PRÖLL: Nein, wir wenden uns dem arbeitenden Menschen zu, egal ob er auf dem Feld steht, im Betrieb oder im Büro.

Die Steuereinnahmen sinken, das Defizit wächst. Wie lange halten Sie es noch aus, sich der Frage zu verschweigen, welche Steuern erhöht werden müssen?PRÖLL: Es geht nicht ums Verschweigen, sondern darum, dass wir das schwierigste Jahr nicht hinter sondern vor uns haben. Das Jahr 2010 ist das Schlüsseljahr, das wird entscheiden, ob wir den Boden erreicht haben oder ob noch einmal bergab geht. Eine falsche Maßnahme, die die Konjunktur abschwächt, die Kaufkraft senkt, und wir haben das Fiasko selbst produziert. Wir müssen das Jahr 2010 nützen, um uns darauf vorzubereiten, wie wir wieder von unserem Schuldenstand runterkommen, aber nicht wirksam für das Jahr 2010. Und wir stehen vor der Mammutaufgabe, das Geld wieder aus den Banken herauszubekommen, ohne Schaden anzurichten.