Auch der dienstälteste Staatschef der Welt hat ein Recht auf den Ruhestand. Libyens Langzeit-Revolutionsführer Muammar Gaddafi soll nun seinen Sohn Saif al Islam zum Nachfolger erkoren haben. Zumindest hat er ihn laut libyschen Regierungszeitungen zum "Koordinator für Fragen des Volkes" und damit zum zweiten starken Mann im Staat ernannt. Damit wird er auch Armee und Geheimdienste kontrollieren.

Ob Saif al Islam, das "Schwert des Islam", tatsächlich der Lieblingssohn Gaddafis ist, sei einmal dahingestellt. Der 37jährige mit dem kahl geschorenen Schädel hat, im markanten Gegensatz zu seinen Brüdern Said und Hannibal, inzwischen aber gelernt, wie man im Westen Freunde gewinnt und diesen das Gesicht des "anderen", des gewandelten Libyen präsentiert und verkauft. Das war nicht immer so: Als Saif vor 19 Jahren an der internationalen Wiener Imadec-University Architektur studierte, begleiteten den forschen Libyer zwei bengalische Tiger. Die nicht immer braven Hauskatzen sorgten über Wochen für Schlagzeilen, konnten aber nach diskreten Vermittlungen der österreichischen Diplomatie in einem Zoo untergebracht werden. Freundschaft schloss Said alsbald mit Jörg Haider, den er gerne in Kärnten besuchte.

Für Furore sorgte der noch immer unverheiratete Liebhaber schöner europäischer Frauen danach meist auf politischem Parkett. Als Vorsitzender der "Internationalen Gaddafi-Stiftung für wohltätige Organisationen" war er unter anderem maßgeblich an den Verhandlungen über die Milliarden-Entschädigungszahlungen für die Opfer des Lockerbie-Anschlags beteiligt.

Er träumt von Demokratie

Saif al Islam sagt in der Regel, was er denkt und ignoriert dabei sogar lokale Tabus wie Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat. Es träfe zu, erklärte er nach der Freilassung von fünf bulgarischen Krankenschwestern, die acht Jahre unschuldig inhaftiert gewesen waren, dass Ausländer in libyschen Gefängnissen misshandelt würden. Wenig später "träumte" Saif al Islam in einem Gespräch mit einem italienischen Journalisten "von Demokratie in Libyen" und kritisierte, dass es in dem nordafrikanischen Land keine richtige Verfassung gebe.

Der - noch - übermächtige Papa nahm die Kritik seines Sohnes mürrisch, aber widerspruchslos hin. Allerdings soll er lange gezögert haben, bis er sich entschloss, den weltgewandten Saif zum Koordinator zu ernennen. Muammar el Gaddafi mit seinen 40 Amtsjahren will sich künftig angeblich nur noch mit "ideologischen Fragen" befassen. Dass er aber die Zügel ganz aus der Hand gibt, ist in nächster Zeit nicht zu erwarten.