Es war der Tag der Bilder - in den USA ebenso wie in Nordkorea. Am Mittwochmorgen, pünktlich zu den amerikanischen Frühnachrichten, schlossen die US-Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee auf dem Flughafen von Los Angeles vor laufenden Kameras ihre Familien wieder in die Arme - nach viereinhalb Monaten in nordkoreanischer Haft. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton hatte mit einem Überraschungsbesuch bei Pjöngjangs Diktator Kim Jong-il die Freilassung der US-Bürgerinnen erreicht, die bei Filmaufnahmen an der chinesisch-nordkoreanischen Grenze verhaftet und zu zwölf Jahren "Umerziehung durch Arbeit" verurteilt worden waren. "Wir dachten, wir könnten jeden Augenblick in ein schlimmes Arbeitslager geschickt werden, aber dann hieß es plötzlich, wir hätten einen Termin", beschrieb Ling den Moment ihrer Rettung. "Dann gingen wir durch eine Tür und vor uns stand Bill Clinton." Ihr Befreier stand derweil neben ihr und gab sich alle Mühe, bescheiden zu wirken.

Staatsmännisch

In Nordkorea brachten die Staatsmedien die Bilder, die Clinton beim Treffen mit Kim Jong-il zeigen. Der Diktator erschien darauf in staatsmännischer Pose, während Clinton ernst blickte, was als respektvolles Zuhören gedeutet werden kann. "Clinton richtete eine ernsthafte Entschuldigung an Kim Jong-il", berichtete die offizielle Nachrichtenagentur über das Treffen. Man habe die ganze Bandbreite der bilateralen Themen "erschöpfend diskutiert" und Clinton habe "höflich eine mündliche Nachricht von US-Präsident Barack Obama an Kim Jong-il überbracht." Das Weiße Haus widersprach heftig.

Ob der ranghöchste Kontakt seit neun Jahren im amerikanisch-nordkoreanischen Verhältnis eine neue Ära einleiten kann, ist unter Experten umstritten. "Der Besuch ist ein Zeichen, dass Obama einen Neuanfang sucht", sagte Paik Hak-soon vom Sejon-Institut in Seoul. Andere wiederum meinen, der US-Präsident sei in die üblichen Machtspiele Kims eingestiegen.