Sie haben vor einer großen Zahl von Bürgermeistern geradezu leidenschaftlich dafür plädiert, gehalten, dass es jetzt zu einer Reform der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommen muss. Gleichzeitig glauben Sie, dazu wäre die heimische Politik nicht einmal in der jetzigen Krise imstande. Sind Sie wirklich so pessimistisch?
CLAUS RAIDL: Ja, das bin ich. Und zwar weil die Parteiobmänner von ÖVP und SPÖ zu schwach sind, so etwas gegen den Willen seiner Landeshauptleute zu machen.

Was wäre so wichtig an einer Verwaltungsreform?
RAIDL: Würde sie wirklich gelingen, könnten wir und Viel, sehr viel leisten. Es gibt da Punkte, da sagte jeder: "Selbstverständlich das müssen wir machen". Jeder Spitzenpolitiker sagt das im Vier-Augen-Gespräch. Aber es geht nicht.

Was ist der Grund?
RAIDL: Weil viele der notwendigen Reformen zu Lasten der Länder gehen. Und die Länder sind in SPÖ und ÖVP so stark, dass diese Reformen aus meiner Sicht nicht durchsetzbar sind. Das war schon beim Österreich-Konvent so. Jede kleinste Änderung wurde von irgend einem Landeshauptmann abgelehnt. Weil das gilt als Angriff auf die Landes-Souveränität.

Sie plädieren für eine Reform in drei Punkten statt eines neuen großen Anlaufes wie der gescheiterte Österreich-Konvent einer war. Welche sind das?
RAIDL: Man sollte die Landesspitäler in Bundeskompetenz überführen, weil der Bund hier ohnehin schon die meiste Kompetenz hat, wie die Beitragssätze oder die Arbeitszeit in den Krankenhäusern. Die Länder klagen ohnehin: "Der Bund beschließt das und wir müssen zahle"n. Der zweite Fall sind die Landeslehrer. Wir brauchenb eine Bundeskompetenz, keine Landesschulräte und keine Bezirksschulräte. Der dritte Punkt ist die Vereinheitlichung des Dienst- und Pensionsrechts in Bund und Ländern.

Warum ist das so wichtig?
RAIDL: Die Pensionsreform ist in einigen Ländern gemacht worden und in anderen nicht. Das geht nicht. Es ist unsinnig, dass ein Hofrat im Land um 30 Prozent mehr verdient als der höchste Beamte des Staates, ein Sektionschef in Wien.

Für Sie sind nicht nur die Länder die Bremser der notwendigen Reformen, sondern auch die Sozialpartner. Ist das nicht ungewöhnlich für einen bekennenden ÖVPler?
RAIDL: Die Sozialpartner, die sich regelmäßig hoch jubeln, machen immer Lösungen zu Lasten Dritter. Das aktuelle Sanierungspaket für die Kassen ist wieder eine Einigung auf etwas, und der Bund soll das Geld hinlegen. Die Sozialpartner sind also auch strukturkonservierend.

Wieso das?
RAIDL: Ich muss wirklich lachen, wenn der Präsident der Wirtschaftskammer (Anmerkung: Christoph Leitl) Reformen im Verwaltungsbereich einmahnt, zu Recht natürlich. Aber in seinem eigenen Bereich hat er neun Landespräsidenten, wo neun Landesgeschäftsführer genügen würden. Wir brauchen diese Präsidenten und das Klimbim nicht.

Zahlt es sich eigentlich aus, den politischen Kraftakt einer Verwaltungsreform zu wagen? Kann das so viel bringen?
RAIDL: Da ist viel drin, und zwar auf Dauer. Mir sagen Experten, allein im Spitalsbereich ist eine Milliarde Euro auf Dauer drin, wenn das der Bund gescheit in die Hand nimmt.

Wenn man Siehört, könnte man glauben, man braucht die Länder nicht mehr. Welche Zuckerl haben Sie für die Länder, wenn sie die Spitäler, die Lehrer und die Beamtenpensionen verlieren?
RAIDL: Es geht nicht darum, die neun Bundesländer zusammenzulegen. Die brauchen wir. Aber ich würde sie zu reinen Verwaltungseinheiten machen, keine Gesetzgebung mehr . . .

Das hieße keine Landtage . . .
RAIDL: . . . oder so wie in Wien die Bezirksvertretungen. Ich glaube auch, dass die Gemeinden bei einer Reform die Gewinner sein könnten, wenn sie etwa die Agenden der Bezirkshauptmannschaften übernehmen. Ich kenne rote und schwarze Bürgermeister, die sagen, das ist durchaus möglich. Manches muss man bürgernah verwalten. Ich glaube, jetzt, in der Krise, muss man zumindest einmal das Geschäftsmodell Österreich neu denken.