Herr Bundeskanzler, Sie sind zur Eröffnung der Festspiele hier in Bregenz. Sind Sie auch ein Opernfan, sind Sie kulturbegeistert?
WERNER FAYMANN: Opernfan ist übertrieben. Ich war zwar schon vor meiner Zeit als Bundeskanzler gerne in der Oper, das gehört in Wien einfach dazu. Aber Musik zählt nicht zu meinen Hauptgebieten. Ich beschäftige mich intensiv mit Architektur. Bregenz ist für mich mehr als nur Musik, hier ist die Stimmung besonders, der See, die Atmosphäre.

Müssen sich Kulturschaffende aufgrund der Wirtschaftskrise auf Sparprogramme einstellen?
FAYMANN: Am allermeisten müssen die den Gürtel enger schnallen, die mit Spekulationen zu tun haben, wo es gleich um ein paar hundert Millionen Euro geht. Dann muss natürlich in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung gespart werden. Entscheidend ist, dass man ohne Qualitätsverschlechterung spart. Wenn - wie in der Bildung, in der Forschung und in der Kultur - das Sparen zu einer Qualitätsverschlechterung führen könnte, dann ist das schlecht.

Kommen wir auf die Spekulationsaffäre zu sprechen: Darf man mit Steuergeldern zocken?
FAYMAN: Nein, da bin ich ganz dagegen. Schon in Zeiten, in denen die SPÖ noch nicht in der Regierung war, sind Finanzminister und Betriebe auf die Idee gekommen, dass man mit Spekulationen vielleicht mehr Geld machen könnte als mit konservativen Veranlagungen. Ich habe diese Meinung nie geteilt. Ich bin der Meinung, dass sich die öffentliche Hand nicht in Spekulationsgeschäfte begeben darf. Daher werde ich nächste Woche sowohl den Rechnungshof-Präsidenten als auch den Gouverneur der Nationalbank zu mir bitten und sie fragen, ob es gesetzlich möglich ist, diese Spekulationen zu verhindern. Weil eines werden die Steuerzahler nie verstehen: Wie schnell das Geld, dass sie mühsam verdient und in Form von Steuern abgeliefert haben, weg sein kann. Wir sind verantwortlich, das restlos aufzuklären und dort, wo sich nach Aufklärung Schuldige herausstellen, persönliche Konsequenzen ziehen.

Sie stellen die Schuldfrage bei Grasser, Molterer und Pröll?
FAYMANN: Die Schuldfrage ist auf jeden anzuwenden - aber nicht als Vorverurteilung. Die Spekulationen unter Grasser und Molterer waren politisch gesehen falsch. Die Schuldfrage lautet: Wann hat wer etwas gewusst, wie war die Risikoeinschätzung?

Wollen Sie einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss?
FAYMANN: Ich brauche nicht für jede Aufklärung einen Ausschuss. Ich vertraue hundertprozentig dem Rechnungshofausschuss. Was ich nicht akzeptieren kann, ist, zu sagen, dass man nichts machen kann.

Haben Sie als Minister in der Regierung Gusenbauer gewusst, dass unter Ex-Finanzminister Molterer Steuergelder spekulativ eingesetzt werden?
FAYMANN: Nein. Aber glauben Sie mir: Wir werden schon feststellen, wem es der Herr Molterer gesagt oder nicht gesagt hat. Mir hat er es nicht gesagt. Molterer war ja auch im Nationalrats-Wahlkampf mein Gegenkandidat, da hätte ich es als allerletzter erfahren.

Die Bundesfinanzierungsagentur beteuert, dass sie unterm Strich ja nicht Steuergelder verloren, sondern mehr als drei Milliarden Euro gewonnen habe.
FAYMANN: Wir werden auch die Frage aufklären, wie viel wirklich verdient worden ist. Es gibt Stimmen, die sagen, mit normaler Veranlagung wäre mehr herausgekommen. Der Punkt ist: Man geht nicht ins Casino mit öffentlichen Geldern. Das verstehen die Leute zurecht nicht. Ich bin ja auch für die Abschaffung der ÖIAG. Was glauben Sie, was die Leute sagen, wenn man ihnen erklärt, wir müssen sparen - und dann gibt es eine ÖIAG, in der einer trotz AUA und Post dreimal so viel wie der Bundespräsident verdient. Die vier Betriebe, an denen die ÖIAG beteiligt ist, haben 50 Aufsichtsräte, die werden also schon kontrolliert und brauchen diese ÖIAG gar nicht.

Zurück zu den Spekulationen: Heißt das dann auch, dass Sie für einem EU-Kommissar Molterer keine Zustimmung erteilen, so lange der Fall nicht geklärt ist?
FAYMANN: Noch gibt es nicht einmal einen Vorschlag, also kann ich auch nichts ablehnen.

Gespart werden könnte auch bei den Geheimdiensten. Sind so aufgeblasene Apparate mit mehr als 1000 Mitarbeitern nötig?
FAYMANN: Apparate kann man immer überprüfen. Ich habe nichts dagegen, wenn man schaut, ob weniger auch möglich ist.

Die Geheimdienste könnten also zusammengelegt werden?
FAYMANN: Ich lasse mir jetzt einen internationalen Vergleich erstellen und möchte wissen, ob die Trennung zwischen Inlands- und Auslandsdiensten sinnvoll ist.

Umfragen versprechen der SPÖ nichts Gutes, auch nicht für die anstehenden Landtagswahlen in Vorarlberg und Oberösterreich.
FAYMANN: Wir haben bei der vorjährigen Nationalratswahl viele Stimmen verloren, sind aber trotzdem Nummer eins geworden. Natürlich will ich die 300.000 Stimmer zurückholen, auch mehr. Abgerechnet wird aber erst in viereinhalb Jahren.

Warum profitiert die ÖVP von der Koalitionsarbeit so viel mehr als die SPÖ?
FAYMANN: Da braucht die ÖVP eine sehr starke Lesebrille, um aus den vergangenen Wahlergebnissen dies ablesen zu können.

Offensichtlich sind sie nicht mehr gewillt, den Kuschelkurs weiter zu verfolgen. Geht es jetzt um mehr Kanten in der Politik?.
FAYMANN: Wenn Sie das so sehen wollen, okay: Ich wollte am Anfang ein Team bilden. Habe dafür auch Kritik in Kauf genommen. Ich wollte die Feindschaft nicht mehr haben, ich sehe unsere Regierung als Mannschaft. Aber zwischen SPÖ und ÖVP ist keine Fusion geplant.