Herr Bundeskanzler, auf welche Kürzungen müssen wir uns jetzt gefasst machen?

WERNER FAYMANN: Die Minister haben den Auftrag, bis zum November in ihren Bereichen Sparmaßnahmen vorzuschlagen, die nicht die Qualität der Leistungen zerstören. Der Sozialminister hat schon angekündigt, dass das AMS weniger Kurse anbieten wird. Es wird immer jemanden geben, der gerade diese Maßnahmen nicht will. Ich habe nicht die Illusion, dass am Ende alle glücklich sein werden. Aber ich rechne damit, dass wir unser Ziel - von fünf auf drei Prozent Defizit herunterkommen - erreichen, ohne dass Sozialleistungen zerstört werden.

Einmal abgesehen vom Verfassungsbruch . . .

FAYMANN: Das Budget wäre am 20. Oktober bekannt geworden, jetzt wird es am 1. Dezember bekannt.

Ein paar Ideen sickern durch, etwa Kinderbeihilfe nur bis 24, 25. Haben Sie kein Verständnis dafür, dass die Familien jetzt planen müssen: Können wir unserem Kind ein WG-Zimmer in der Unistadt finanzieren? Oder gar: Können wir uns neue Schultaschen leisten?

FAYMANN: Ich habe großes Verständnis dafür. Ich weiß aber auch nicht, wie sich die Wirtschaft in den nächsten drei Monaten entwickeln wird. Das Wirtschaftswachstum ist heuer bereits zwei Mal hinaufrevidiert worden. Ich wage noch nicht zu glauben, die Krise sei vorbei, aber wenn es so weitergeht, dann werden die Einschnitte nicht so hart ausfallen.

Wenigstens Ihre Steuerpläne kennt man. Sie fordern sieben Punkte, von Banken bis Stiftungen. Zuletzt gab es aber Verwirrung: Wollen Sie höhere Steuern auf die Vermögenssubstanz oder nicht?

FAYMANN: Die ÖVP sagt gar nichts! Außer dem Wort "Öko" - da kann ich nur berechnen, dass es drei Buchstaben hat, nicht den Ertrag für den Staatshaushalt. Dann höre ich, dass sie das 13. und 14. Monatsgehalt höher besteuern will oder gar die Mehrwertsteuer im Supermarkt erhöhen. Mit mir nicht! Es stimmt, man legt beim Verhandeln normalerweise nicht die Karten auf den Tisch, so wie wir das machen. Deshalb lasse ich ausarbeiten, wie eine Steuer auf Vermögen über einer Million Euro aussehen könnte. Sie ist mir nicht sympathisch, weil der Aufwand in Relation zu den Einnahmen groß ist, aber ich behalte diese Idee in der Hinterhand.

Beim Parteitag im Juni haben Sie der Forderung der Gewerkschafter nach sehr viel mehr Vermögenssteuern aber zugestimmt.

FAYMANN: Auch denen wäre es lieber, wenn wir die Finanztransaktionssteuer im europäischen Gleichklang durchsetzen. Die Verteilungsungerechtigkeit entsteht dadurch, dass die Finanzmärkte auf ihre steigenden Milliardengewinne prozentuell gesehen viel, viel weniger Steuern gezahlt haben als der kleine Fleischhauer, der kleine Unternehmer, der kleine Landwirt.

Die Bauern befürchten, dass Sie die Grundsteuer erhöhen und Förderungen streichen wollen.

FAYMANN: Ich bin stolz darauf, dass wir in Österreich noch Landwirte haben, die muss man beschützen. Soll man die Grundsteuer auf den Verkehrswert heben? Man müsste kleine Landwirtschaften ausnehmen, sowie Betriebsvergrößerungen und Zinshäuser, sonst wird sie auf die Mieten draufgeschlagen. Da bleibt kaum etwas übrig. Doppelförderungen an die Lebensmittelindustrie will ich mir aber schon anschauen.

Letzte Steuerfrage: Ihr Bundesgeschäftsführer fordert, die Gagen von Spitzenmanagern noch höher zu besteuern. Auch nur Verhandlungsmasse in der Hinterhand?

FAYMANN: Ja, alles nach der Devise: Verhindere Massensteuern so gut du kannst! Da lasse ich mir lieber vorwerfen, wir wären beim Entwickeln von Modellen zu erfinderisch.

Thema Schule: Alle Kompetenzen für alle Lehrer in eine Hand?

FAYMANN: Ich habe nachgeschaut: Der Streit ist so alt wie ich.

Dann wird's ja Zeit . . .

FAYMANN: Deshalb begrüße ich die Diskussionsbeiträge von Erwin Pröll, also dass der Vorsitzende der Landeshauptleute darüber reden will - obwohl noch lange nichts vereinbart und das auch nicht meine Meinung ist. Die Frage lautet: Was ist am besten für die Schüler? Wir brauchen ein neues, einheitliches Dienstrecht, die ,Neue Mittelschule' ohne Obergrenze und ganztätige Schulformen. Wer wo angestellt wird, ist mein geringstes Problem. Mein größtes: Wir gehören zu den drei führenden Ländern in Europa . . .

Beim Geld ausgeben, nicht bei der Leistung der Schüler.

FAYMANN: Eben. Und jetzt wollen wir auch bei der Leistung die Besten werden.

Wie viele Stunden sollen die Lehrer länger in der Klasse stehen?

FAYMANN: Ich habe für diesen Vorstoß genug Kritik einstecken müssen. Die genaue Zahl wird die Bildungsministerin mit den Lehrern verhandeln. Denn ohne die Lehrer keine gute Schule.

Die SPÖ-Lehrer nennen Sie in der Aussendung, in der Sie eben diesen, Ihren Vorstoß kritisieren, "Feymann". Zeigt das nicht, dass diese schon überfordert sind?

FAYMANN: Es ist doch schön, dass es so menschlich zugeht.

Thema Justiz: Sie haben kritisiert, dass die großen Wirtschafts- und Korruptionsfälle zu langsam aufgeklärt würden. Heißt das, Sie werden mehr Geld für mehr Justizpersonal lockermachen?

FAYMANN: Korruption ist kein Kavaliersdelikt, denn da werden wir alle bestohlen. Ich habe für Donnerstag hierher eingeladen: Vertreter von Richtern und Staatsanwälten, die Justizministerin, den Finanzminister und die Beamtenministerin. Wenn mir die Justizministerin sagt, sie sieht keine andere Möglichkeit, mehr einzusparen, dann wird es mehr Geld für diesen einen Bereich der Justiz, die Korruptionsbekämpfung, geben. Das muss ja nicht für mehr Personal sein, das kann auch für Gutachter verwendet werden. Denn die andere Seite beschäftigt mittlerweile so viele Wirtschaftskanzleien, da müssen wir die Justiz auch stärken. Wir bekämpfen Arbeitslosigkeit, mit allem, was wir haben, und wir bekämpfen Korruption, mit allem, was wir haben.

Warum wird die SPÖ morgen den Anträgen der Opposition zu Untersuchungsausschüssen dann nicht zustimmen?

FAYMANN: Ein Untersuchungsausschuss kann ja nur politische Zusammenhänge aufklären. Ob eine Tat strafbar ist, entscheidet das Gericht. Ein U-Ausschuss kann der Justiz vielleicht einen Ball zuspielen, aber manchmal stört es diese auch, wenn ein Zeuge zuerst im Parlament aussagt. Aber fragen Sie mich in einem Jahr noch einmal: Wenn im Zuge der Verfahren politische Fragen offenbleiben, bin ich der Erste, der für einen U-Ausschuss eintritt.