Ex-Finanzminister Grasser wird nun von der Justiz in die Mangel genommen. Warum hat das so lange gedauert?

CLAUDIA BANDION-ORTNER: Ermittelt wird schon länger, aber da sind Unterlagen auszuwerten, Rechtshilfeersuchen abzuwarten, Zeugen zu vernehmen. Nun sind offenbar neue Hinweise dazu gekommen. Man kann nicht von heute auf morgen eine Anklage auf den Tisch legen. Mich ärgert, wenn Günther Kräuter (SPÖ) und Peter Pilz (Grüne) Staatsanwalt spielen und genau wissen, was zu tun wäre - ohne den Akt zu kennen.

Beim Publikum bleibt zurück, Politiker würden geschont.

BANDION-ORTNER: Bei uns gibt es keinen Promi-Bonus, aber auch keinen Promi-Malus. Es kann nicht sein, dass solche Leute schlechtergestellt sind, nur weil sie einem unsympathisch sind. Die Unschuldsvermutung muss auch gelebt werden! Öffentlich wird ein Verfahren, wenn die Hauptverhandlung stattfindet. Stellen Sie sich vor, Sie werden von einem Querulanten angezeigt, völlig haltlos und jede Einvernahme wird in den Medien diskutiert.

Ich würde mir wünschen, dass schnell geklärt wird, ob es zu einer Anklage kommt.

BANDION-ORTNER: Sie haben recht, einige Verfahren dauern zu lange. Deshalb gibt es nun 35 zusätzliche Staatsanwälte, Wirtschaftskompetenzzentren, wird erstmals in Teams gearbeitet, ziehen wir Experten bei. Es geht nicht nur um Schnelligkeit, es geht auch um Qualität. Außerdem müssen wir Haftsachen vorziehen.

Nicht alle in der Justiz scheinen das zu beherzigen. Denken Sie an Helmut Elsner. . .

BANDION-ORTNER: Ich bitte Sie . . .

Nächstes Jahr müssen Sie 3,5 Prozent ihres Budgets einsparen. Wie wollen Sie das machen?

BANDION-ORTNER: Sicher nicht beim Personal!

Bei den Bleistiften zu sparen, wird nicht reichen.

BANDION-ORTNER: Gewisse Investitionen wie der Jugendgerichtshof, so gerne ich ihn bauen würde, müssen ein paar Jahre warten.

Verschiebung der Budgetrede: Wie geht es Ihnen als Juristin mit diesem Verfassungsbruch?

BANDION-ORTNER: Ob das ein Verfassungsbruch ist, kann ich nicht sagen, ich bin keine Verfassungsjuristin. Ich wäre froh, hätten wir rasch ein Budget, aber wir stehen vor einer Ausnahmesituation, das geht nicht Huschpfusch.

Oder lässt es sich nach den Wahlen leichter verhandeln?

BANDION-ORTNER: Ich bin bei keiner Partei, für mich sind Wahlen nicht relevant.

Ist das nicht auch ein Nachteil? Lassen Sie sich zu viel vom Vizekanzler anschaffen, weil Sie keine Hausmacht haben?

BANDION-ORTNER: Ich lasse mir von niemandem etwas anschaffen. Aber in der Politik braucht man Unterstützung. So viel umgesetzt wie im letzten Jahr wurde im Justizressort schon lange nicht. Ich musste in der Politik lernen, dass vieles ein Kompromiss ist, aber ich verfolge meine Pläne wie die "gemeinsame Obsorge" weiter mit Leidenschaft. Im September wird die zuständige Arbeitsgruppe eingerichtet. Mein Wunsch ist, dass wir Mitte nächsten Jahres eine entsprechende Gesetzesvorlage vorlegen können.

Manche meinen, Sie als glücklich verheiratete Mutter gingen an das Thema naiv heran?

BANDION-ORTNER: Nein. Ich bin selbst ein Scheidungskind und bei meinem Vater aufgewachsen und erlebe im Bekanntenkreis immer wieder Rosenkriege. Zahlreiche deutsche Studien belegen, dass die gemeinsame Obsorge deeskalierend wirkt. Denn wer weiter Verantwortung für sein Kind trägt, kümmert sich auch mehr und ist eher bereit, den Unterhalt pünktlich zu bezahlen.