I hre steirischen Parteifreunde üben sich in Selbstzerfleischung, Haben Sie einen Rat?

MICHAEL HÄUPL: Franz Voves ist ein erfahrener Landeshauptmann, der keine Ratschläge braucht. Aber eines steht fest: Einigkeit ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass eine Partei auch erfolgreich ist. Das heißt nicht, dass es nicht Diskussionen geben kann. Aber dann setzt man sich z'sammen, macht die Tür zu, redet das aus, und dann macht man die Tür wieder auf. Wenn man in einer Familie Diskussionen hat, macht man das auch im Wohnzimmer, man geht nicht auf den Balkon.

Überlegen Sie eine Vorverlegung der Wienwahl, um nicht im Fahrwasser einer Niederlage in der Steiermark zu segeln?

HÄUPL: Ich denke nicht im Entferntesten daran. Die steirische Sozialdemokratie wird nicht verlieren. Unser Selbstbewusstsein als Wiener ist groß genug, dass die Wiener wissen, wo sie wählen, nämlich in Wien.

Ihre Schmerzgrenze?

HÄUPL: Das Ziel ist natürlich die Erhaltung derselben politischen stabilen Verhältnisse wie in Niederösterreich, nur mit umgekehrten politischen Vorzeichen.

Bei einem Minus müssen Sie mit ÖVP oder Grün koalieren.

HÄUPL: Vor dem 10. Oktober rede ich nicht über Koalitionen.

Die SPÖ hat sich auf dem Parteitag weit hinausgelehnt bei der Vermögenssteuer. Wie wird man das mit der ÖVP umsetzen?

HÄUPL: Fred Sinowatz hat schon recht gehabt mit dem Sager, dass alles sehr kompliziert ist. Wir stehen heute vor einer großen Herausforderung: Wir müssen die Haushalte in Ordnung halten, weil wir uns damit politischen Handlungsspielraum erhalten. Wir dürfen jetzt auch nicht durch Sparwahnsinn dieses langsame, leise herausknospende Pflänzchen der Konjunktur gleich wieder vernichten. Das ist die wahre Kunst. Erfolg oder Misserfolg dieser Regierung wird daran gemessen.

Kommt die Vermögenssteuer?

HÄUPL: Das Schöne an Parteitagsbeschlüssen ist, dass sie meistens auf einem Abstraktionsniveau sind, die den Umgang nachher erleichtern. Es wird einnahmenseitige Maßnahmen geben müssen, keine Frage. Eines kann nicht sein: Es können weder der kleine Angestellte, der Arbeiter noch der Mittelstand etwas dafür, dass durch Spekulanten die Finanzkrise, die auf die Realwirtschaft übergeschlagen hat, angerichtet wurde.

Ist es vorstellbar, dass die Koalition daran zerbricht?

HÄUPL: Nein, das glaube ich nicht.

Ist das Überleben der Koalition wichtiger als der Inhalt?

HÄUPL: Nein, man wird sich einigen, das wird eine ziemlich ausgewogene Geschichte. Es ist ja auch der ÖVP völlig klar, dass eine alleinige ausgabenseitige Stabilität des Budgets ohne Ungerechtigkeit nicht erreichbar ist.

Wird man nur die Reichen zur Kasse bitten oder werden alle den Gürtel enger schnallen müssen?

HÄUPL: Über Details zu reden, ist absolut verfrüht. Wir sind natürlich nicht für die Anhebung von Massensteuern. Die Einkommenssteuer ist ja gerade gesenkt worden, mit gutem Grund. Man muss alles in Ruhe vorbereiten und sich nicht auf steirische oder Wiener Wahlen ausreden.

Wo kann man in der Verwaltung noch Speck wegschneiden?

HÄUPL: Wir sind das einzige Land, das Spitäler zusammengelegt hat, ohne Wirbel. Wir investieren auch in neue Spitäler. Unter dem Strich kommt es aber zu keiner Bettenvermehrung.

Was sagen Sie zur Kritik des Rechnungshofs am aufgeblähten Wiener Beamtenapparat mit seinen Privilegien?

HÄUPL: Ich brauche motivierte Beamte. Wir haben 76.000 Bedienstete, davon sind nicht einmal die Hälfte Beamte, allein 33.000 arbeiten im Gesundheitswesen, 18.000 bei den Stadtwerken.

Sie nehmen die Kritik nicht ernst?

HÄUPL: Der Rechnungshof hat 2008/2009 vier Prüfungen in Wien durchgeführt, 2009/2010, 19. Das ist wohl kein Zufall.

Kritik ist politisch motiviert?

HÄUPL: Ich unterstelle dem Rechnungshof natürlich nichts, das ist eine großartige Einrichtung, ich liebe Kontrolleure. Auch der Rechnungshof kann irren.

Sie setzen im Wahlkampf auf Sauberkeit und Ordnung, Tugenden, die nicht gerade links angesiedelt sind.

HÄUPL: Unser Hauptthema ist, wie man Wien durch diese Krise steuern kann. Das andere Thema hängt mit Rücksichtnahme und Respekt zusammen. Wenn man in einer so vielfältigen Stadt lebt und bemerkt, dass es Defizite gibt im Respekt vor dem anderen, thematisiere ich das natürlich. Daher gibt es unsere Ordnungstrupps, die Kompetenz haben.

Hat man bei der Integration die Probleme zu lange unter den Teppich gekehrt?

HÄUPL: Man hat sie nicht mit der notwendigen Konsequenz aufgegriffen. Wenn zu erkennen ist, dass es über rechtsextremes Krakeelertum hinaus ein reales Problem des Zusammenlebens gibt, muss man sich dessen annehmen.

Ohne Zuwanderung wird es auch in Zukunft nicht gehen.

HÄUPL: Bei einer Stadt wie Wien, die so darauf angewiesen ist, dass wir uns im Bereich Forschung, Wissenschaft, Bildung, Kultur weiterentwickeln, ist eine geregelte Zuwanderung in einer moderaten Form unerlässlich. Die meisten Zuwanderer kommen ja heute aus Deutschland. Die Zeit, wo anatolische Arbeitslose massenhaft nach Wien kommen - das liegt Jahrzehnte zurück.

Haben Sie eine Meinung zum Fall Zogaj?

HÄUPL: Die Frage des humanitären Aufenthalts hätte man vor Jahren bei gutem Willen lösen können. Das ist versäumt worden. Ich anerkenne den Spruch des Verfassungsgerichtshofs.

Im Süden Österreichs hat man das Gefühl, dass bei Infrastrukturprojekten der Großraum Wien immer Vorrang hat.

HÄUPL: Wir haben zum Teil noch immer die Bahnstruktur aus der k. u. k Zeit. Wenn ich mir die Verbindung zwischen Wien und Berlin ansehe, kommt mir das Weinen. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs gibt es in Ostösterreich einen ganz fundamentalen Aufholbedarf. Ich habe Projekte in anderen Bundesländern nie infrage gestellt. Ich war bei der Semmeringdiskussion nicht ganz der Auffassung meines Freundes Erwin Pröll. Ich bin froh, dass es da jetzt eine Einigung gibt.

Und der Koralmtunnel?

HÄUPL: Einen Bau, den man begonnen hat, vollendet man auch. So einfach ist das.