Neben vielen deutsch-türkischen Problemen hatte Angela Merkel noch etwas ganz Besonderes im Gepäck, als sie zu ihrem Türkei-Besuch in Ankara eintraf: Eine Friedenstaube. Die Kanzlerin hatte vor ihrer Abreise in Berlin die von einem Mädchen in Nordrhein-Westfalen gebastelte Taube aus Ton einpacken lassen, um sie dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zu schenken. Die Geste deutete an, was nach dem Gespräch Merkels mit Erdogan endgültig klar wurde: Die beiden Regierungschefs bemühten sich, den Showdown zu vermeiden.

Privilegierte Partnerschaft

Dabei hatte es in den Tagen vor dem Merkel-Besuch so ausgesehen, als ob die große Krise in den deutsch-türkischen Beziehungen bevorstünde. Die Kanzlerin stieß in der Türkei mit ihrem Vorschlag auf Ablehnung, Ankara möge sich doch bitte mit einer "privilegierten Partnerschaft" statt einer ordentlichen Mitgliedschaft in der Europäischen Union begnügen. Andersherum holte sich Erdogan mit seiner Forderung nach Einrichtung türkischer Gymnasien in Deutschland bei Merkel und anderen deutschen Politikern einen Korb.

Der Ton in dieser Auseinandersetzung war alles andere als sanft. Erdogan sprach sogar von "Hass", der seinem Land in Deutschland entgegenschlage und dessen Gründe er nicht verstehe. Erdogans EU-Chefunterhändler Egemen Bagis nannte Merkels Vorschlag einer privilegierten Partnerschaft als Ersatz für den angestrebten EU-Beitritt eine "Beleidigung".

Als Merkel und Erdogan nach dem zweistündigen Gespräch in Ankara vor die Presse traten, war davon nichts mehr zu spüren. Die Kanzlerin und der Ministerpräsident verhehlten nicht, dass sie zum Beispiel beim Thema EU weiter keine gemeinsame Linie haben. Aber der Ton hat sich sehr verändert. Erdogan erinnerte daran, dass die Türkei unter deutscher EU-Präsidentschaft drei Verhandlungskapitel mit der EU eröffnen konnte.

Verträge sind einzuhalten"

Merkel bekannte sich trotz aller Skepsis dazu, den Prozess mit der Türkei nicht antasten zu wollen. "Pacta sunt servanda" - Verträge sind einzuhalten, sagte sie auf Lateinisch. "Danke schön", erwiderte Erdogan auf Deutsch. Merkel verband ihre Unterstützung aber mit dem Hinweis, dass sich die Türken intensiver um das Thema Zypern kümmern müssen. Wegen des Streits um die geteilte Insel und der türkischen Weigerung, ihre Häfen für die griechische Inselrepublik zu öffnen, liegen acht Kapitel der EU-Verhandlungen auf Eis. Zypern sei "das nächste Problem, das zu lösen ist", sagte Merkel.

Selbst bei dem besonders umstrittenen Projekt Erdogans zur Einrichtung türkischer Schulen in Deutschland gab es Bewegung. Merkel sagte, es gebe bereits Schulen in Deutschland, in denen man Türkisch lernen könne. Das könne ausgebaut werden, solange dies nicht als Ausrede benutzt werde, das Deutschlernen zu vernachlässigen. Von türkischer Seite hieß es, gedacht werde an Schulen mit deutschem Lehrplan, aber türkischen Intensiv-Kursen, einem deutschen Direktor und einem türkischen Vize - spiegelbildlich des "Alman Lisesi" in Istanbul, einer Eliteschule, die Kanzlerin Merkel heute besuchen will.