Es war eine Revolution: Von Kopf bis Fuß verschleiert hat sich eine Saudi-Araberin vor einem Millionenpublikum im Fernsehen die Freiheit genommen, islamische Geistliche zu kritisieren. Damit kam Hissa Hilal beim Dichterwettbewerb des Senders Abu Dhabi TV ins Finale. Am Mittwoch könnte sie als Siegerin aus der Show "Dichter für Millionen" hervorgehen und fast eine Million Euro Preisgeld bekommen.

Todesdrohungen

Die Kehrseite der Medaille ihres Ruhmes: Die Hausfrau und Mutter erhält Todesdrohungen auf arabischen Internetseiten. Hissa Hilal lebt in einem Land, in dem Frauen nicht einmal Auto fahren dürfen. Auch Reisen ohne männliche Begleitung und die meisten Jobs sind Frauen verboten. Neue Rechtsgutachten fundamentalistischer Geistlicher, sogenannte Fatwas, stellten kürzlich eine Lockerung der strikten Trennung der Geschlechter unter Todesstrafe. Hilal protestierte in ihrem im Fernsehen rezitierten Gedicht "Das Chaos der Fatwas" gegen "das Böse, das von diesen Fatwas kommt".

Die Jury der Show in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) belohnte den Mut Hilals, ihre Meinung "ehrlich und kraftvoll" auszudrücken, mit 47 von 50 möglichen Punkten und damit dem besten Ergebnis aller Kandidaten. Videos des Vortrags kursieren nun im Internet. "Dichter für Millionen" wird wöchentlich ausgestrahlt und erreicht bis zu 18 Millionen Zuschauer.

Angst

Auf islamistischen Websites, die auch Nachrichten des Terrornetzwerks Al-Kaida verbreiten, wurden Todesdrohungen gegen die Dichterin ausgestoßen. "Natürlich haben mein Mann, meine Familie und ich Angst", sagt Hilal. Mit ihrer kühnen Poesie will sie "den Extremismus bekämpfen". Vor ein paar Jahren sei die Gesellschaft noch offener gewesen. "Jetzt sind die Dinge schwieriger geworden. Manche Männer geben weiblichen Familienmitgliedern nicht einmal mehr die Hand, wie sie es früher taten."

Beobachter vermuten, dass Hilal mit ihrem Gedicht insbesondere den saudi-arabischen Kleriker Abdul Rachman al-Barrak an den Pranger stellt, der mit seiner Fatwa im Februar alle mit dem Tode bedrohte, die ein Zusammentreffen beider Geschlechter in Bildungseinrichtungen und bei der Arbeit fördern.