Bis vor Kurzem haben auch Sie eine Steuererhöhung ausgeschlossen, jetzt ist plötzlich alles anders. Warum sind Sie umgefallen?

JOSEF PRÖLL: Es stimmt, dass ich immer auf der Bremse stand, wenn es um neue Steuern ging. Nur hat uns die Schwere der Krise einen Strich durch die Rechnung gemacht, und manche in der SPÖ wollten das Geld nur über Steuern hereinbringen. Ein pragmatischer Kompromiss war notwendig.

Wie sich die Krise entwickelt, wusste man schon im letzten Jahr.

PRÖLL: Was sich nicht abgezeichnet hat, waren die Schwere und die Länge der Krise. Die Experten haben 2009 gemeint, dass wir schneller aus dem Tal herauskommen. Jetzt haben wir eine flache Seitwärtsbewegung. Das reicht nicht aus, um genug Wachstum zu generieren.

Wäre nicht bei den Ausgaben mehr drinnen gewesen?

PRÖLL: Hätten wir versucht, alles ohne Steuern hereinzubringen, hätten wir unser Land totgespart. Wir müssen einen Mix finden, der sozial verträglich und wirtschaftlich vernünftig ist. Wirtschaftliche Vernunft heißt, das Wachstum nicht abdrehen. Totsparen heißt Wachstumsstillstand.

Wie weit sind Sie mit dem Koalitionspartner in der Frage, welche Massensteuern kommen?

PRÖLL: Wir unterhalten uns nicht über Massensteuern. Wir haben bei der Bankenabgabe Konsens über 500 Millionen erzielt. Was ich fordere, ist eine Ökologisierung des Steuersystems.

Ökologisierung heißt höhere Mineralölsteuer?

PRÖLL: Das wäre zu phantasielos. Ökologisierung heißt, dass wir fossile Energie besteuern und einen deutlichen Betrag fürs Budget abliefern.

Was heißt deutlich?

PRÖLL: Das werden wir noch sehen. Mit dem Geld dürfen nicht nur Budgetlöchern gestopft werden. Es muss auch der Faktor Arbeit entlastet werden.

Entlastung in welcher Form?

PRÖLL: Wir werden mit der Industrie reden, was man machen muss, um Menschen in Beschäftigung zu halten oder um neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Mineralölsteuer spielt eine wesentliche Rolle dabei?

PRÖLL: Die Mineralölsteuer kann ein Thema, darf aber nicht das einzige sein. Die Ökologisierung darf nicht auf dem Rücken der Autofahrer einseitig abgeladen werden.

Wird auch im Sozialbereich oder bei den Pensionen gekürzt?

PRÖLL: Der Ball liegt bei den einzelnen Bundesministern, sie müssen Vorschläge bringen. Mir war wichtig, dass wir die Ausgabendynamik brechen. In vielen Bereichen werden wir von den Ausgaben über holt. Wir könnten gar nicht so viele Steuern erfinden, dass wir das finanzierten könnten.

Ist die Verwaltungsreform in der jetzigen Form tot? Sie wollten sogar einmal ein Konklave im Herbst einberufen.

PRÖLL: Wir werden intensive Verhandlungen mit den Ländern zu führen haben. Die Länder müssen auch einen substanziellen Beitrag leisten.

Sie haben kein Druckmittel gegenüber den Ländern, es sei denn, sie schnüren den Finanzausgleich auf. Werden Sie das tun?

PRÖLL: Ich habe überhaupt keinen Anlass, vorzeitig über den Finanzausgleich nachzudenken.

Warum wartet man jetzt bis zum Herbst und schenkt den Menschen nicht gleich reinen Wein ein?

PRÖLL: Es ist nicht einfach so, dass man etwa bei der Ökologisierung nur drei Zahlen verändert. Dazu braucht es eben eine längere Diskussion.

Sind Privatisierungen tabu?

PRÖLL: Das ist nur wirtschaftlich guten Zeiten sinnvoll. Ich bin nicht bereit, mitten in der Krise auf den Kapitalmärkten Werte der Republik zu verschleudern, nur um ein paar Millionen hereinzubekommen,

Zur Präsidentenwahl: Mit den Erfahrungen der letzten Wochen: Sind Sie noch immer der Meinung, dass es eine gute Idee war, dass die ÖVP keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hat?

PRÖLL: Wir haben klar entschieden. Was Frau Rosenkranz tut, ist nicht dazu angetan, dass ÖVP-Wähler sie in Scharen wählen werden. Für mich ist sie nicht wählbar.

Wenn werden Sie wählen?

PRÖLL: Das bleibt Wahlgeheimnis. Ich werde mir den Wahlkampf anschauen bis zum Wahltag und dann meine Entscheidung treffen

Das BZÖ schlägt einen gemeinsamen Kandidaten vor. Was halten Sie davon?

PRÖLL: BZÖ-Obmann Josef Bucher kann gerne einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. Ich hindere ihn nicht daran.

Gerade die Steirer haben ÖVP-intern Kritik am Verzicht auf einen Kandidaten geübt. Was entgegen sie darauf?

PRÖLL: Wenn ich in der Steiermark unterwegs bin und mit den Funktionären rede, höre ich etwas anderes: dass wir unsere Energien auf ein anderes Datum, auf die Landtagswahlen im Herbst in der Steiermark, lenken müssen. Ich hoffe, dass die steirische Volkspartei dieselbe Energie für die Landtagswahlen aufbringt wie manche aktuell für die Diskussionen beim Bundespräsidenten.

Es bleibt beim Verzicht?

PRÖLL: Es ist nicht das erste Mal, dass die ÖVP verzichtet. 2016 werden wir mit einem eigenen Kandidaten wieder antreten.

Bei den Nationalratswahlen wollen Sie aber schon antreten.

PRÖLL: Heuer organisieren wir unsere drei Landtagswahlen, dann haben wir zwei Jahre wahlfreie Zeit. Wir werden mit konsolidierten, gestärkten Kräften die Nationalratswahl ziehen.