Als Barack Obama vor einem Jahr sein Amt als Präsident antrat, wogte eine Welle der Begeisterung durchs Land. Von Wandel war die Rede. Nun, am ersten Jahrestag, ist von Feiern keine Rede mehr. Scott Brown hat den Demokraten die Party verdorben. Der bisher unscheinbare Republikaner aus Massachusetts hat einen der spektakulärsten Wahlsiege der jüngeren US-Geschichte errungen und wird neuer Senator. "Was hier passiert ist, kann im ganzen Land passieren", ruft er seinen Anhängern bei der Siegerrede in Boston zu. Genau das ist es, wovor sich viele Demokraten jetzt fürchten.

Neuer Republikaner-Held"

Noch vor ein paar Wochen wurde Brown von seinen republikanischen Kollegen hinter vorgehaltener Hand als "Opferlamm" bezeichnet. Er war ein politischer Niemand, dem keiner zutraute, die Demokraten in ihrer Hochburg Massachusetts schlagen zu können. Mit 52 Prozent der Stimmen hat er nicht nur seine Konkurrentin Martha Coakley deklassiert, sondern auch das ganze politische System in Aufruhr versetzt. Die Republikaner feiern ihn als neuen Helden, die Demokraten fürchten um die Gesundheitsreform und Präsident Barack Obama geht beschädigt aus der Wahl hervor.

Eben dies wollten die Republikaner erreichen. Sie machten die Wahl in Massachusetts zu einer Abstimmung über Obamas Politik. Sie kanalisierten die Wut vieler Wähler mit einfachen Botschaften: Die Gesundheitsreform ist ein Fehler, die Steuern sind zu hoch, die Terroristen stehen vor der Tür. Obama und die Demokraten haben versagt. Diese wiederum unterschätzten Brown und das Meinungsklima im Land. Ein Jahr nach Obamas Amtsantritt findet eine knappe Mehrheit der Amerikaner, dass der Präsident seine Arbeit schlecht gemacht hat. Außerdem befürworten nur 38 Prozent seine Pläne für eine Gesundheitsreform, 54 Prozent sind dagegen. Nur 43 Prozent unterstützen die aktuelle Wirtschaftspolitik, 49 Prozent lehnen sie ab. Vor allem unabhängige Wähler haben sich von Obama abgewandt und laufen jetzt den Republikanern zu.

Die Nervosität steigt

Bisher hielten die demokratischen Abgeordneten die Reihen geschlossen. Kritik am Präsidenten war nur selten zu hören. Jetzt macht sich aber langsam Nervosität breit. Mit einem unpopulären Präsidenten lassen sich im November keine Kongresswahlen gewinnen. Einzelne Abgeordnete wollen bei der Gesundheitsreform schon zurückrudern und fordern eine weniger forsche Gangart des Präsidenten. Obama will den Kurs beibehalten, aber zumindest die Kommunikation verbessern. David Axelrod, einer seiner wichtigsten Berater, gibt die Linie vor: "Ich glaube, dass wir den Menschen zeigen müssen, dass wir ihre Sorgen und Ängste ernst nehmen".

Scott Brown genießt seinen Triumph in Boston. "Wir machen es besser", sagt er umringt von seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Das Publikum reagiert prompt: "Yes, we can" ist zu hören. Der Wahlspruch ist derselbe wie vor einem Jahr. Nur diesmal rufen ihn die Republikaner.