Als Beinahe-Präsident gilt der Führer der ostukrainischen Regionenpartei Viktor Janukowitsch schon seit fünf Jahren. Bei der Wahl im Oktober 2004 war er dem westlich orientierten Viktor Juschtschenko knapp unterlegen. Im November erklärte die Zentrale Wahlkommission Janukowitsch nach der Stichwahl dagegen zum Sieger. Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte. Die Opposition forderte aber bei Non-Stop-Kundgebungen auf dem Kiewer Maidan (Hauptplatz) eine Stimmenneuzählung. Der Oberste Gerichtshof entschied auf Wahlfälschung. Bei der erneuten Stichwahl Ende Dezember wurde Juschtschenko Präsident. Jetzt ist es wieder soweit. Umfragen räumen Janukowitsch bei der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag bessere Chancen und einen Sieg in der zweiten Wahlrunde ein - diesmal gegen die Regierungschefin und frühere "orangene Prinzessin" Julia Timoschenko.

Janukowitsch wurde 1950 in einer russischen Arbeiterfamilie in der ostukrainischen Zechenstadt Jenakiewo geboren. Seine Mutter starb als er erst zwei Jahre alt war, der Vater hatte kaum Zeit für ihn, und der Junge geriet auf Abwege. Mit 17 Jahren wurde er wegen Raubs und Teilnahme an einer Jugendclique zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt und nach Verbüßung der halben Haftdauer amnestiert. Im Juni 1970 landete er erneut hinter Gittern, diesmal wegen "mittelschwerer Körperschädigung". Er habe damals eine Frau gegen Gewalttäter verteidigt, heißt es. Die oppositionelle Presse behauptet aber, es habe sich genau umgekehrt verhalten. Der künftige Politiker sei wegen einer "Vergewaltigung in abartiger Form" verurteilt worden. 1973 wurden Janukowitschs Vorstrafen gelöscht und seit 1978 gilt er "wegen fehlenden Tatbestandes" als straffrei. Den üblen Nachgeschmack wurde er jedoch niemals los.

Zahllose in der Ukraine umlaufende Janukowitsch-Witze beziehen sich auf dessen kriminelles Vorleben und angeblich mangelnde Vorbildung. Er hatte 1980 das Donezker Polytechnikum im Fernstudium absolviert und 2001 die Ukrainische Außenhandelsakademie im Fach internationales Recht. Menschen, die mit ihm zusammen hätten studieren müssen, erinnern sich aber nicht an einen Kommilitonen dieses Namens. Später promovierte Janukowitsch über Fragen der Verwaltung einer großen Industrieregion. Seinen wissenschaftlichen Titel schreibe er aber selbst als "Proffesor", spötteln seine Gegner. Auch soll er in der Öffentlichkeit Montenegro mit dem Kosovo und August Bebel mit Isaak Babel verwechselt haben. Den Politiker Janukowitsch scheint es aber nicht sonderlich zu stören.

Schon in der späten Sowjetzeit machte er eine steile Karriere in der Industrie. Er wurde Generaldirektor eines großen Transportunternehmens und der Gebietsverwaltung für Automobiltransporte im Großraum Donezk. 1997 stieg Janukowitsch zum Donezker Gebietschef auf. Im November 2002 wurde er zum ersten Mal ukrainischer Regierungschef und im April 2003 Vorsitzender der Regionenpartei. Mit Unterstützung des damaligen Präsidenten Leonid Kutschma nominierte die parlamentarische Mehrheit in der "Rada" ihn als ihren Präsidentschaftskandidaten. Nach seiner Wahlniederlage musste er die Konsequenz ziehen und zurücktreten. Die Industriekapitäne des industriellen Ostens stehen aber nach wie vor hinter Janukowitsch.

Nach Juschtschenkos Wahlsieg nahm die politische Konfrontation weiter zu. Ideologisch war das Land in den galizischen Westen und dem deutlich russisch geprägten Osten zweigeteilt. Im März 2006 gewann die Regionenpartei die Parlamentswahl. Im August wurde Janukowitsch als Interessenvertreter einer Antikrisenkoalition wieder Regierungschef. Die Illusion, Janukowitsch werde nach seiner Machtübernahme jeden Wunsch Moskaus erfüllen, war verflogen. In Brüssel hatte er zwar erklärt, sein Land sei momentan nicht bereit, der NATO beizutreten, strebe aber die EU-Mitgliedschaft an. Es wurde auch klar, dass er in der Frage der Gaspreise gegenüber Moskau ebenso entschlossen auftreten werde wie seine Vorgänger. Als Timoschenko ihn im Amt des Regierungschefs ablöste, kam auch sie bei Gasgesprächen mit Putin in Moskau zusammen. Auf die Journalistenfrage, ob er jetzt die orangene Lady unterstütze, antwortete dieser, seine Wahl sei längst bekannt: Janukowitsch. In einigen russischen Kommentaren hieß es dazu, Putins Hilfe habe Janukowitsch 2004 die Niederlage beschert. Diesmal hätte der russische Präsident lieber schweigen sollen.