Zwischen Frankreich und der Türkei eskaliert derzeit ein Konflikt, der die Beziehungen zwischen beiden Ländern völlig vergiften könnte. Ein neues französisches Gesetz, das die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe stellt, ist in der Türkei auf heftige Kritik gestoßen. Am späten Montagabend hatte der französische Senat einem zuvor vom Parlament verabschiedeten Gesetz zugestimmt, das in Frankreich künftig eine Strafe von einem Jahr Haft und 45.000 Euro Geldstrafe vorsieht, wenn jemand den Völkermord an den Armeniern 1915 im Osmanischen Reich leugnet. Das Gesetz ist heftig umstritten, weil es das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzen könnte. Die offizielle Türkei wehrt sich seit Jahrzehnten dagegen, die Massaker an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges als Völkermord zu bezeichnen.

Die Entscheidung in Frankreich hat in der Türkei wütende Proteste ausgelöst. Ministerpräsident Erdogan nahm in einer Rede vor seiner Fraktion am Dienstag kein Blatt vor den Mund und griff insbesondere den französischen Präsidenten Sarkozy scharf an. Sarkozy, so Erdogan, versuche mit einer türkeifeindlichen, rassistischen Politik, Stimmen bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.

Wörtlich sagte er: "In Frankreich hat am Montag eine bestellte Abstimmung stattgefunden. Das Ergebnis ist die Wiederbelebung mittelalterlichen Denkens. Der Beschluss ist rassistisch und ein Massaker an der Meinungsfreiheit. Wer dazu schweigt, macht sich schuldig, den aufkommenden Faschismus in Europa zu ignorieren." Der Führer der rechtsnationalistischen Partei MHP, Devlet Bahceli, schlug noch härter zu. In Anspielung auf Frankreichs Rolle in Algerien rief er Sarkozy zu, er solle sich lieber "mit der stinkenden Vergangenheit" seines eigenen Landes auseinandersetzen.

Sarkozy hatte seine Fraktion im Parlament im letzten Jahr angeregt, ein entsprechendes Gesetz zu formulieren und einzubringen. Hintergrund dafür ist nach Meinung nahezu aller türkischen Politiker nicht wie offiziell behauptet, die Würde der Hinterbliebenen des Völkermordes zu schützen, sondern schlicht das Kalkül, damit bei den im Mai anstehenden Präsidentenwahlen die Stimmen der fast 500.000 armenischstämmigen Franzosen zu erobern.

Drohungen

Die Türkei hatte sich schon vor der Abstimmung am 22. Dezember im Parlament ins Zeug gelegt, um das Gesetz zu verhindern. Vor der am Mittwoch stattgefundenen Abstimmung im Senat hatte die türkische Regierung erneut versucht, durch Drohungen mit Sanktionen eine Zustimmung zu dem Gesetz zu verhindern.

Trotz der harten Worte will die türkische Regierung aber zunächst keine Sanktionen verhängen, die über die bereits im Dezember beschlossenen hinausgehen. "Wir gedulden uns noch", sagte Erdogan. "Wir werden unsere vorbereiteten Sanktionen je nach Entwicklung in Kraft setzen." Bisher wurden die Militärbeziehungen zwischen der Türkei und Frankreich eingefroren und der Kulturaustausch ausgesetzt. In den Medien war spekuliert worden, die Türkei würde den französischen Botschafter ausweisen wie zuvor dessen israelischen Kollegen nach dem Angriff auf das türkische Schiff Mavi-Marmara.

Auf welche Entwicklungen man in Ankara noch hofft, erklärte Erdogan auch gleich. Wenn 60 Senatoren einen Einspruch beim Verfassungsrat vorbringen, könnte das Gesetz noch gestoppt werden. "Wir hoffen", sagte er, "dass dieser Fehler so wieder gutgemacht wird." Doch die eigentliche Hoffnung in der Türkei ist, dass Sarkozy die kommenden Präsidentschaftswahlen verliert und dann ein Neubeginn in den Beziehungen möglich wird.