"Alter Xue, leider warst du für TIME zu spät." Kurznachrichten wie diese verbreiten sich in chinesischen Internetforen derzeit tausendfach - schneller als die Zensoren der Kommunistischen Partei sie entschlüsseln und löschen können. Dabei ist die Anspielung in ihren Augen hoch subversiv: Das Nachrichtenmagazin TIME hat am Mittwoch Demonstranten in aller Welt zur Person des Jahres 2011 gekürt - und der südchinesische Bauer Xue Jinbo wäre womöglich in die Galerie der berühmtesten Protestikonen aufgenommen worden, wenn sein Tod vor Redaktionsschluss bekannt gewesen wäre. Der 42-Jährige gehörte zu den Anführern der größten Demonstrationen, die China seit Jahren erlebt, und seitdem er am Wochenende unter dubiosen Umständen in Polizeigewahrsam starb, eskalieren in seinem Heimatort die Ereignisse.

Unterhändler starb in Haft

Der Volksaufstand in Wukan begann, als Ende September Tausende Menschen das Büro des lokalen Parteisekretärs stürmten, der den Ort seit mehr als drei Jahrzehnten regiert hatte. Die Behörden schickten Polizeihundertschaften, die Wukans Bewohner in ihre Häuser zurückzudrängen versuchten. Es kam zu Straßenschlachten, aus Sorge vor einer Eskalation boten die Behörden den Bewohnern an, 13 Vertreter zu wählen, um über ihre Forderungen zu verhandeln. Doch den Bauern war dies nicht genug und vergangene Woche nahmen Zivilbeamte in einer Überraschungsaktion Zivilbeamte fünf der "Heißblütigen" fest, darunter auch Xue. Am Sonntag versuchten tausende Polizisten im Morgengrauen den Ort einzunehmen, einen Tag später wurde dann Xues Tod bekannt.

Was als lokaler Protest gegen Landenteignung und Vetternwirtschaft begann, hat sich zu einer landesweit ausstrahlenden Bewegung für "Demokratie" und ein "Ende der Diktatur" ausgewachsen. Doch wo Bürger ihre Rechte einzufordern versuchen, werden sie häufig Opfer von Einschüchterung und Gewalt.