So viel Medienandrang hat die Pekinger EU-Delegation noch nie erlebt. Der Konferenzsaal platzt aus allen Nähten, als sich Klaus Regling der Presse stellt. Dass der Chef des Stabilitätsfonds EFSF nur wenige Stunden nach dem Durchbruch zum Eurorettungsschirm nach China aufgebrochen ist, gilt vielen als Zeichen dafür, dass Europa seine Hoffnung auf neue Kredite maßgeblich auf die Volksrepublik stützt. Ein Vertrauensbeweis aus Peking wäre für die Euroretter ein Befreiungsschlag.

Doch daraus wird nichts. "Ich erwarte hier keine konkreten Ergebnisse", schraubt Regling die Erwartungen herunter. Zwar habe sich China zuletzt als "guter und treuer Kunde" erwiesen, aber seine Mission bestehe darin, Chinas Zentralbank und Finanzministerium über Entscheidungen zu informieren - und ihre Meinung einzuholen. Was nach diplomatischer Tiefstapelei klingt, ist in Wahrheit finanzpolitische Marktforschung. Der deutsche Finanzexperte soll ausloten, unter welchen Bedingungen potenzielle Großinvestoren wie China zu neuen Bondkäufen bereit wären.

Politische Zugeständnisse

Im Fall von China wird auch darüber spekuliert, dass die Hilfsbereitschaft an politische und wirtschaftliche Zugeständnisse geknüpft sein könnte. Li Daokui, Mitglied des wirtschaftswissenschaftlichen Beirats der Zentralbank, erklärte der "Financial Times", dass China Interesse an Bonds im Wert von 100 Milliarden Euro habe, dafür aber mehr als Zinsen verlange. Pekings Wunschliste ist lang. So fordert China seit Langem die Zuerkennung des Marktwirtschaftsstatus, der es den Europäern schwerer machen würde, Maßnahmen gegen Preisdumping und andere Wettbewerbsverzerrungen zu ergreifen. Auch das Waffenembargo, das nach dem Tiananmen-Massaker 1989 verhängt wurde, sieht Peking als Affront. Peking würde zudem gerne die Kritik am unterbewerteten Yuan oder der Menschenrechtssituation zum Verstummen bringen. Regling will davon aber nichts gehört haben. "Ich wäre dafür auch der falsche Ansprechpartner", sagt er. "Ich bin hier nicht als Vertreter der EU, sondern um Bonds zu verkaufen."

Zugeständnisse seien auch nicht notwendig, um China für Anleihen zu gewinnen, glaubt Regling. "Wir versprechen eine sichere und attraktive Investmentmöglichkeit", wirbt er. Seine Bonds hätten eine Topbewertung von AAA - und China eine Notwendigkeit, Devisen anzulegen. Wegen ihres hohen Handelsbilanzüberschusses verfügt die Volksrepublik über Devisenreserven von 2,3 Billionen Euro. Derzeit kommen monatlich rund 60 Milliarden Dollar dazu. Einen Teil davon stellt die Regierung dem Staatsfond China Investment Corp (CIC) zur Verfügung, der damit in Rohstoffe oder Firmenbeteiligungen investiert. Einen Teil erhalten Chinas Unternehmen, um ihre Expansionen im Ausland zu finanzieren. Der größte Teil wird aber in ausländische Staatsanleihen investiert. 70 Prozent werden in US-Währung gehalten. Die Euroanlagen sollen 25 Prozent ausmachen. Wie stark sich die Chinesen bisher im EFSF engagiert haben, ist unklar. Laut Regling wurden 40 Prozent der Anlagen von asiatischen Kunden gekauft, genauere Angaben machte er allerdings nicht.

Hu kommt nach Wien

Die Probleme im Bereich der internationalen Wirtschaft und Finanzen werden auch das zentrale Thema beim G20-Gipfel am 3. und 4. November in Cannes sein, zu dem Chinas Staatspräsident Hu Jintao anreist. Er macht zuvor einen Zwischenstopp in Wien. Am Montag wird er von Bundespräsident Heinz Fischer empfangen. Neben einem Gespräch der beiden Staatsoberhäupter stehen auch Gespräche mit Bundeskanzler Werner Faymann und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer auf dem Programm, unter anderem auch über die Finanzkrise. An den beiden darauf folgenden Tagen folgt noch ein eher touristisches Programm im Salzburger Land.