Tibets junge Mönche proben mit Verzweiflungstaten den Aufstand gegen die chinesische Herrschaft. Zum zehnten Mal seit März hat sich am Dienstag ein Mönch selbst angezündet. Der 38-Jährige Dawa Tsering habe sich während einer religiösen Zeremonie in Kandze in der an Tibet grenzenden Provinz Sichuan mit Benzin übergossen und selbst entflammt, berichten exiltibetische Organisationen. Dabei habe er die Rückkehr des Dalai Lama sowie Freiheit für Tibet gefordert. Er wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.

Die Selbstverbrennungen sind Zeichen einer erneuten Eskalation des Konflikts zwischen religiösen Tibetern und der chinesischen Regierung. Mindestens fünf der zehn Demonstranten starben. Zuletzt hatte sich am 17. Oktober eine 20-jährige Nonne in der Region Ngaba in Osttibet verbrannt. Am Wochenende war im Internet ein Handyvideo veröffentlicht worden, das den 19-jährigen Mönch Lobsang Konchok zeigen soll, der sich Ende September vor Sichuans Kirti-Kloster angezündet hatte. In den schockierenden Aufnahmen liegt er unter dem weißen Staub von Feuerlöscherflüssigkeit auf der Straße, die Kleider hängen ihm in Fetzen vom Leib, seine Beine scheinen zu rauchen. Um ihn herum stehen Polizisten in Kampfmontur. Einer stürmt auf die Kamera zu und ruft: "Nicht filmen!"

Vorbild Tunesien?

Nach Angaben der Organisation International Campaign for Tibet seien die Taten "Ausdruck einer tiefen Verzweiflung und Unzufriedenheit". Sie richteten sich gegen die harschen Methoden, mit denen die chinesischen Behörden seit den Unruhen im Frühjahr 2008 für Ruhe zu sorgen versuchen. Viele Beobachter verweisen darauf, dass die Tibeter womöglich an die Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi anknüpfen wollen, die der Auslöser der Revolten im Nahen Osten war.

Pekings Regierung reagiert auf die Selbstverbrennungen mit der üblichen Mischung aus verschärfter Kontrolle und Propaganda. In exiltibetischen Internetforen wird über eine erneute Verstärkung von Militär und Sicherheitskräften berichtet. Außenministeriumssprecherin Jiang Yu warf dem Dalai Lama vor, die Menschen zu "Gewalt und getarnten Terrorismus" anzustiften. Die tibetische Exilregierung im indischen Dharamsala erklärte dagegen, dass sie die Selbstverbrennungen ausdrücklich nicht unterstütze, sondern als eine Form von Gewalt sehe, die der Buddhismus verbiete. Allerdings seien die Selbstmordversuche das Ergebnis "verstärkter Repressionen in allen tibetischen Klöstern", sagte ein Sprecher der Exilregierung. "Die Tibeter in Tibet, die sich zu verbrennen versuchen, wollen die internationale Aufmerksamkeit auf die wirklich ernste Situation in Tibet lenken."

Der chinesischen Regierung dürfte es größte Sorgen bereiten, dass die Verzweiflungstaten von jungen Menschen ausgehen. Neun von zehn waren unter Dreißig. Eigentlich beruht die Tibet-Strategie der Kommunistischen Partei auf der Theorie, dass der Widerstand gegen ihre Herrschaft mit jeder Generation geringer werden müsste. Nur wenige junge Tibeter bekommen die traditionelle religiöse Erziehung.