Nach ihrem hohen Sieg in den ersten freien Wahlen in Tunesien haben die Islamisten Anspruch auf die Macht angemeldet. "Es ist normal, dass jene Partei, welche die Mehrheit erhält, die Regierung anführt", sagte der Chef der Ennahda-Bewegung, Rachid Ghannouchi. Ennahda (Wiedergeburt), die unter der Diktatur verboten war, hat in der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung nach inoffiziellen Ergebnissen zufolge etwa 40 Prozent der Stimmen bekommen.

Neue Verfassung wird ausgearbeitet

Die Versammlung wird eine Übergangsregierung und einen Interimspräsidenten wählen. Zudem soll eine neue Verfassung ausgearbeitet werden, in der das künftige politische System, Staatsaufbau, Regierungsinstitutionen und ihre Machtfülle festgelegt werden. Auch über Grundrechte wie Gleichberechtigung oder Pressefreiheit wird entschieden. Wahlen für ein Parlament und den Präsidenten könnten Ende 2012 stattfinden.

Da Ennahda nicht über die absolute Mehrheit verfügt, strebt sie eine Koalition mit säkularen Parteien an. Die Ennahda, die sich selbst als "moderate islamische Partei" bezeichnet, will eine "nationale Allianz" formieren, um Tunesien in eine demokratische Zukunft zu führen. Vor der Parteizentrale feierten Tausende den Wahlsieg: "Wir sind Moslems" riefen sie. Und: "Wir wollen keinen Atheismus." Ghannouchi hatte vor der Wahl versichert, dass seine Partei keinen Kopftuchzwang durchsetzen und die bisherigen Freiheiten der tunesischen Frauen respektieren werde. Als Vorbild diene die türkische Regierungspartei AKP.