Dass der kleine Mann mit dem ansteckenden Lachen viel Temperament hat, weiß in Südafrika eigentlich jeder. Doch dass sich Desmond Tutu nach allem, was er in den vergangenen acht Jahrzehnten erlebt hat, noch einmal derart empören kann, ist schon bemerkenswert - und ein Glück für Südafrika. Wütend ist er darüber, dass ausgerechnet der von ihm jahrelang protegierte Afrikanische Nationalkongress (ANC), Südafrikas frühere Widerstandsbewegung und heutige Regierung, dem Dalai Lama die Einreise zu den Feierlichkeiten zu Tutus Geburtstag verwehrt hat. Der spirituelle Führer der Tibeter sollte dort eigentlich eine Festrede halten. Doch daraus wird nun wohl nichts.

Nie hat man Tutu in den vergangenen Jahren so aufgebracht erlebt wie in dieser Woche. Immer wieder erhebt er auf der Pressekonferenz zum Dalai-Lama-Fiasko den Zeigefinger, aber auch seine Stimme: "Hey, Mister Zuma", richtet er sich an den Präsidenten, "Sie und Ihre Regierung vertreten mich nicht. Sie vertreten allein sich und Ihre Interessen." Tutus Abrechnung mit den Erben Nelson Mandelas in Südafrika und deren Machtgier, Arroganz und Eigensucht ist das i-Tüpfelchen auf dem Image-Desaster für das Land - und den regierenden ANC. 17 Jahre nach der Machtübernahme hat sich die frühere Widerstandsbewegung nach Einschätzung ihres einstigen Chefanwalts Tutu als eine hochautoritäre Bewegung entlarvt, der nicht das Wohl der jungen Demokratie am Herzen liegt, sondern allein der Machterhalt. Ausgerechnet in jenem Land, das sich unter Mandela die Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hatte, gibt es heute eine Regierung, die enge Kontakte zu Diktatoren in Ländern wie Kuba oder Simbabwe pflegt.

"Wir werden für die Ablösung dieser Regierung beten, genau wie wir einst für das Ende der Apartheidregierung beteten", schäumt Tutu nun. "Denn diese Regierung ist schlimmer als das Apartheidregime, schon weil man von diesem solche Dinge erwarten durfte." Porträt Seite 11