Es waren ungewöhnlich starke Worte, die der saudische König Abdullah in der Nacht zum Montag in die Fernsehkamera sprach: "Syrien weiß, dass die (saudische) Monarchie in der Vergangenheit zu ihm stand. Heute verlangt die Monarchie ein Anhalten der Tötungsmaschinerie, ein Ende des Blutvergießens." Präsident Bashar al-Assad müsse echte Reformen auf den Weg bringen, "bevor es zu spät ist". Der Standpauke des greisen Monarchen war in Syrien ein blutigen Wochenende mit fast 100 Toten vorausgegangen. Selbst Assads Partner in der Region rücken jetzt von ihm ab.

Assad hatte in den elf Jahren seiner Herrschaft ein leidlich gutes Verhältnis zu den wichtigeren Playern der Region aufgebaut, und dies trotz der von seinem Vater Hafes eingefädelten strategischen Bindung des arabischen Landes an den schiitischen Iran. Im vergangenen Oktober hatte König Abdullah Damaskus einen viel beachteten Besuch abgestattet, den Assad in diesem Jänner in Riad erwiderte. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete ihn selbst in diesem Mai noch als "guten Freund".

In der Arabischen Liga mag Syrien nicht immer mit der Mehrheit am selben Strang gezogen haben. Aber nie war es so isoliert wie das Libyen des exaltierten Oberst Gaddafi oder - nach der Kuwait-Invasion - der Irak des Saddam Hussein. Jetzt aber rief Liga-Chef Nabil al-Arabi die Syrer dazu auf, "die Gewalt und die Feldzüge der Sicherheitskräfte gegen Zivilisten zu beenden".

Assads Partnerschaften hielten selbst Beschädigungen aus, die ihnen der Vormann in Damaskus fast schon mutwillig zufügte. Als 2006 Israel im Krieg gegen die libanesische Hisbollah Süd-Beirut und Teile des Süd-Libanons in Trümmer bombte, bezeichnete Assad die pro-westlichen Herrscher in Riad, Kairo und Amman als "halbe Männer". Die von ihm und dem Iran unterstützte Hisbollah ging aus der Konfrontation mit Israel politisch gestärkt hervor. Das Machtkarussell in Beirut war ohne sie und ihren Schutzherrn in Damaskus nicht mehr steuerbar.

Doch der arabische Frühling verändert alles in Nahost, stellt bestehende Partnerschaften schwer auf die Probe. Saudi-Arabien, das islamisch-konservative Bollwerk des arabischen Despotismus, zeigte sich von den Präsidentenstürzen in Tunesien und Ägypten schockiert. Dem Tunesier Ben Ali gewährte es Asyl, der Ägypter Hosni Mubarak schlug ein solches aus.

Hinter den Kulissen intervenierte Riad bis zuletzt, um jenen Gerichtsprozess zu verhindern, bei dem Mubarak letzte Woche auf dem Krankenbett liegend mit der Anklage konfrontiert wurde. In den Golfstaat Bahrain schickte es Soldaten, um dem dortigen Regime bei der raschen Unterdrückung der Demokratiebewegung zu helfen.

Der altersweise König Abdullah hänge persönlich wohl Reform-Ideen an, heißt es. Zudem reklamiert Riad für sich, die Vormacht der muslimischen Sunniten zu sein. Der Assad-Clan und die Spitze seines Machtapparats rekrutieren sich aus den Alawiten, einer schiitischen Sekte. Die sunnitische Mehrheit ist in der saudischen Optik das Opfer. Doch das erzkonservative Establishment dürften ansonsten eher Stabilitätsängste umtreiben. Ein Syrien, das in einem ähnlichen Bürgerkriegschaos versinkt wie der Irak nach dem US-Einmarsch 2003, könnte erneut Waffen, Terroristen und extremistische Wirrköpfe über die porösen Grenzen der Region schwappen lassen.

Ähnlich denkt auch die Türkei, die bereits die ersten Flüchtlinge aus dem Nachbarland bei sich begrüßen durfte - noch in der überschaubaren Größenordnung von ein paar Tausend. Auch Kurden aus Syrien, die irgendwann inmitten chaotischer Umstände vertrieben werden könnten, braucht Ankara in den eigenen grenznahen, unruhigen Kurden-Gebieten nicht.

Die Vorgänge in Syrien betrachte er deshalb als "innere (türkische) Angelegenheit", tönte Erdogan. An diesem Dienstag schickt er seinen Außenminister Ahmet Davutoglu zu Assad. "Mit einer starken Botschaft", wie er im Vorfeld verlauten ließ, "denn unsere Geduld ist bald am Ende" - und wohl auch eine Männerfreundschaft.